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31.03.2008 10:05 Uhr

Addy-Waku Menga: Nie an Gott gezweifelt

Diesen 8. März 2008 wird Addy-Waku Menga wahrscheinlich niemals in seinem Leben vergessen. Denn es war der Tag seines ersten Bundesliga-Spiels über 90 Minuten. Aber es war auch die Geschichte eines Spielers, der damals direkt von der Tribüne in die Beletage des deutschen Profifußballs rotierte. Denn wie aus dem Nichts hatte Cheftrainer Frank Pagelsdorf vor dem Rückrundenspiel MSV Duisburg – F.C. Hansa Rostock Menga ins Rampenlicht der Bundesliga gerückt.

Plötzlich strahlten die Augen des gebürtigen Kongolesen heller als hell. Plötzlich war die Welt für den jungen Profi wieder in Ordnung.
Doch der Reihe nach. Frank Pagelsdorf ist ein Trainer, der auf junge Spieler setzt. Er ist ein Fußball-Lehrer, der seine Talente gerne mit „auf die Reise“ nimmt, Jungs wie Marko Rehmer, Sergej Barbarez oder auch Stefan Beinlich gerne nachzieht. Ein solcher Spieler ist auch Addy-Waku Menga. Denn „Pagel“ hat Addy schon in Osnabrück unter seinen Fittichen gehabt und er hat ihn im Sommer an die Küste geholt. Immerhin hatte der Bursche in sechs Jahren in 98 Spielen 33 Tore gemacht.

Damals schien Addy in Rostock auch gleich durchzustarten! Jedenfalls kam er am 4. August 2007 im ersten Pflichtspiel, dem Pokalmatch gegen den SV Rot-Weiß Hasborn (8:0) gleich zu einem Einsatz. Eine Woche später gab er dann in der Allianz-Arena in München sein Bundesliga-Debüt gegen Bayern München (0:3). Danach folgten noch Kurz-Einsätze in Frankfurt und Bielefeld und er war am 22. September 2007 beim 2:0-Sieg gegen den MSV Duisburg in der DKB-Arena dabei. Fortan aber wurde es ruhig um den eigentlich doch stets so fröhlichen und freundlichen „Spaßvogel“.

Heute sagt Addy: „Es war eine grausame Zeit. Ich war frustriert. Aber ich habe in meinem jungen Leben schon so viel erlebt. Ich bin ein Kämpfer. Wo ich bin, setzte ich mich am Ende auch durch.“
Sein Trainer Pagelsdorf formuliert es anders:  „Ich halte sehr viel von Addy. Wir haben ihn ja nicht zum Hütchen tragen nach Rostock geholt.“
Aber es hat immerhin fast eine halbe Spieljahreszeit gedauert, bis er in der Bundesliga ankam, bis zu jenem Tage in Duisburg, da er plötzlich am Morgen im Hotel in der Mannschaftsbesprechung seinen Namen neben dem von Victor Agali in der Aufstellung las und happy war.

So überraschend die Aufstellung kam, so ordentlich spielte Addy. Fast hätte er wie Victor Agali an diesem Tage sogar ein Tor gemacht. Freundin Dany und Brüderchen Christian (7) freuten sich im Stadion mit Addy. Schließlich sind es von Mengas deutscher Heimat Osnabrück bis nach Duisburg nur 90 Minuten Autofahrt.
Man muss den Lebensweg dieses Addy-Waku Menga kennen, um ihn zu verstehen.
Der Kicker, der eigentlich Ardiles heißt, den alle aber nur Addy rufen, wurde in Kinshasa geboren. Sein Vater Malens, ein großer Fußball-Fan, hat ihn damals nach dem argentinischen Weltmeister Ardiles benannt. Sein Bruder Eder wurde nach einem brasilianischen Fußball-Profi, sein Bruder Tardelli nach einem italienischen Weltmeister gerufen. Nur Bruder Christian (7), der in Deutschland geboren wurde, hat einen „normalen“ Namen. Addy ist das älteste der Kinder, danach kommen Schwester Marietta und dann eben die Brüder. Addy hat schon als Kleinkind gern Fußball gespielt.

„Meine Eltern haben ihn mir den ersten Ball geschenkt, als ich ein kleines Kind war. Ich habe ihn mit in mein Bett genommen, ihn überall hingeschleppt. Er war mein Juwel. Gespielt wurde anfangs in Straßenschuhen. Bei Amis-Luanga in der 3. Liga habe ich dann auch in Fußballschuhen gespielt. Aber von Hause aus bin ich ein richtiger Straßenfußballer, wie es viele bei uns im Land und in Afrika gibt.

Das Herz des gläubigen Addy Menga hat aber auch schwere seelische Narben. Er kam durch eine Familien-Zusammenführung nach Deutschland. „Mein Vater musste schon 1990 aus politischen Gründen fliehen. Da war ich sieben. Ich habe ihn so vermisst.“
So sagte er später einmal zu Journalisten über die Zeit in der Heimat, der Demokratischen Republik Kongo: „Wir wohnten in zwei Räumen. Gekocht wurde auf der Straße auf einem Grill. Wenn es etwas zu kochen gab... Morgens gab es ein kleines Brot für die Schule. Wenn Essen da war, wurde Mittag gekocht. Wenn nicht, gab es erst abends was. Wir hatten Glück, weil Papa Geld schickte. Andere haben zwei, drei Tage nichts gegessen.“ Und auch dies gab es. „Manchmal bin ich morgens im Bett hochgeschreckt, da standen Soldaten im Zimmer und richteten ihre Gewehre auf mich. Sie suchten Waffen. Ich hatte Todesangst. Es war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ohne meinen Glauben an Gott hätte ich das nicht ausgehalten.“

Als Addy elf Jahre alt war, beantragte die Familie Menga im Kongo schließlich ihre Ausreise: „Es hat dann noch sechs Jahre gedauert, bis die deutschen Behörden uns das Visum ausstellte. Ein ewiges Hoffen.“ 2000 durften sie nach Deutschland.
Vater Malens Menga lebte damals schon in Deutschland. Als Addy 16 Jahre war, reiste er mit seiner Mutter Jeanne und den Geschwistern also nach Niedersachsen, genauer nach Venne bei Osnabrück.

Hier lernte er 2002 Freundin Dany kennen. Sie arbeitet als Sozialpädagogin in Osnabrück, kommt momentan deshalb auch nur am Wochenende an die Küste.
Addy gesteht: „Meine Familie ist sehr gläubig. Wir sind evangelisch und gehen jeden Sonntag in die Kirche. Allerdings geht es bei uns anders zu als hier. Wir singen und machen richtig Stimmung. Ich habe nie an Gott gezweifelt, er hat mich immer unterstützt.“
Er lebt heute zwar in Europa, aber er liebt sein Afrika nach wie vor. „Der Umgang der Menschen dort ist sehr liebevoll. Man merkt kaum, dass sie so große Probleme haben und sie können sich über Kleinigkeiten freuen.

Und so ließ er sich die Lebensfreude auch nicht verderben, als es sportlich nicht so lief: „Ich versuche, immer positiv zu denken und mit allem und allen klarzukommen. So auch in der Zeit, als ich nicht spielte. Ich habe mich deshalb sogar freiwillig für die 4. Liga und die Amateurelf von Hansa anmelden lassen, nur damit ich spielen konnte.“
In seiner Heimat war Addy-Waku Menga übrigens noch nicht wieder. „Oma und Freunde leben noch da. Wir telefonieren oft. Aber ehrlich, ich traue mich nicht hin. Die Unruhen können jederzeit wieder losgehen. Ich bin froh, mit meiner Familie hier in Sicherheit zu sein.“
Sportlich ist der Fußballer Addy-Waku Menga spätestens seit dem 8. März 2008 in der Bundesliga angekommen. Sein Markenzeichen bislang war ein Salto, weil Addy früher auch ein guter Turner war und diese Drehung beherrscht. Die Wende vom Tribünengast zum Bundesligakicker hat Menga gerade geschafft. Wetten, dass er uns den Salto bei seinem ersten Bundesliga-Treffer für Hansa zeigt…