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19.05.2009 09:16 Uhr

Andreas Zachhuber – Wandler zwischen den Fußballwelten

Besuch im „Wohnzimmer“ des Cheftrainers des F.C. Hansa Rostock. Erstmals in seiner Amtszeit empfängt Andreas Zachhuber einen Journalisten in seinem Büro in den Katakomben der DKB-Arena. Auf der linken Seite hinter der Mannschaftskabine und dem Besprechungsraum logiert „Zacher“ auf ca. 30 Quadratmetern  mit seinen beiden Co-Trainern Thomas Finck und Perry Bräutigam.

Hier riecht es förmlich nach Arbeit. Die Schreibtische sind mit DFL- und DFB-Dokumenten, mit Termin-Planern, Fachzeitschriften, Tageszeitungen sowie Aktenordnern, der Stadionzeitung Kogge und  DVDs belegt. Wir schauen auf Briefe von Fans und Souvenirs von treuen Anhängern, die auf das glückliche Händchen des neuen Trainers hoffen. Auffällig: Ein Glücksschwein aus Marzipan und eine Postkarte mit einem Glücksschwein zwischen Handy und Telefon. Ja, in diesen Tagen braucht der Cheftrainer auch Glück und muss hart arbeiten, denn
Glück hat ja nur der Tüchtige.

An den Wänden sehen wir Taktiktafeln, auch hier Termin-Planer und Wandtafeln für Trainingssysteme. Dazwischen einige Frühlingsblumen. Ein selbstgefertigter Strickschal von einem Fan mit dem Namen des Trainers fällt uns ebenso auf wie TV und Video. Zwischen Trainingseinheit und Pressekonferenz nimmt sich Andreas Zachhuber Zeit, die er eigentlich nicht hat. „Zacher“ ist 1975 als Spieler in den Verein eingetreten, hat den Klub zweimal in der Bundesliga vor dem Abstieg gerettet – nun soll er die Hanseaten vor dem Absturz von der 2. in die 3. Liga bewahren.

Andreas Zachhuber kennt diesen F.C. Hansa Rostock wie nur wenige. Er war hier Jugendspieler, er war DDR-Oberliga-Kicker. Er hat die DDR als Auswahlspieler repräsentiert. Er hat die Jugendspieler betreut, die Amateure, die Profis.
Der Mann mit der Mitgliedsnummer 141 gehört seit 1992 auch offiziell als Mitglied dem Verein an. Für Zachhuber ist Hansa Herzensangelegenheit. Sein ganzes Leben hängt irgendwie mit Hansa zusammen, Hansa ist ein Stück Familie, Familie wie Frau Marita und Sohn Enrico.
Dieser Mann also soll mit Begeisterung und Leidenschaft, mit Einsatz und Engagement die Kogge auf Kurs und in den sicheren Hafen des Profifußballs bringen. Wenn man mit ihm spricht, dann hat man den Eindruck, der Trainer hat einen Chip im Kopf – er kann Spiele und Ergebnisse, Daten und Ereignisse in Windeseile abrufen, punktgenau!
Nun haben wir uns mit Andreas Zachhuber getroffen, um uns von seinem Leben zwischen Spieler und Trainer, zwischen Jugend- und Profifußball, zwischen Erfolg und Niederlage, zwischen Freud und Leid, als Wandler zwischen kleinem Fußball und großer Bundesligabühne erzählen zu lassen.

Mal ehrlich Herr Zachhuber, was bleibt an Erfolgen haften?
Zachhuber: Bochum, Bochum und nochmals Bochum. Dieser Klassenerhalt war das Fundament für das neue Stadion. Hätten wir damals verloren, wären wir abgestiegen, ich weiß nicht, ob es heute die DKB-Arena in dieser Form geben würde. Aber auch der zweite Klassenerhalt auf Schalke hat damals die Fundamente des Vereins gefestigt.
Wir erinnern uns an Bilder, da sind Sie mit der Mannschaft mit Arbeitshelm über die Baustelle des neuen Stadions gelaufen?
Zachhuber: Tatsächlich, es verging kein Tag, an dem ich nicht geschaut habe, wie das Stadion gewachsen ist.

Aber es heißt, erst jetzt bei Ihrem Amtsantritt im Winter 2009 haben Sie erstmals gesehen, was die Bauherren am Ende geschaffen haben?
Zachhuber: Es ist tatsächlich so: Im Jahr 2000 begann die Saison nach einer tollen Vorbereitung mit einem Katastrophenstart für uns. Null Punkte und 0:9 Tore nach drei Spielen. Das war mein Ende hier als Trainer. Die Einweihung habe ich nicht miterlebt und die tollen Bedingungen, die der Verein danach geschaffen hat, habe ich mir in aller Ruhe erst jetzt im Februar und März 2009 angeschaut. Da ist mir erst bewusst geworden, wie wichtig der Klassenerhalt damals wirklich war. Wenn du so etwas erlebst, dann läuft dir ein Schauer über den Rücken.

Wie bitter war der Rauswurf damals?
Zachhuber: Ganz bitter. Ich hatte ja gerade meinen Trainerschein gemacht. Und dann das. Da bist du am Boden. Obgleich der Verein mich ja dann im Nachwuchs eingesetzt hat und ich dort mit Spielern wie Marcel Schied oder Fiete Sykora manche Siege feierte. Noch schlimmer aber war, als der Verein plötzlich auch nicht mehr mit mir als Trainer an der Basis plante. Am 13. April 2003 habe ich mein letztes Spiel als Trainer gegen Hertha BSC gemacht. Danach habe ich mich zwei Hüftoperationen unterzogen und über zwei Jahre gebraucht, bis ich wieder richtig auf den Beinen war.

Sie haben zweimal für Greifswald mit einem kleinen Verein erfolgreich gearbeitet. Was ist schwerer, an der Basis zu wirken oder bei Hansa in der Bundesliga zu arbeiten?
Zachhuber: Ich empfehle jedem, mal in unteren Ligen zu arbeiten. Das ist ganz hart. Du bist da für alles verantwortlich. Aber du triffst auch auf phantastische Menschen. Du bist Trainer und Mädchen für alles, musst dich um alles kümmern. Da lernst du, unheimlich zu improvisieren. Gerade beim zweiten Anlauf in Greifswald haben wir mächtig was auf die Beine gestellt. Als ich dahin kam, waren nur 600 Zuschauer im Stadion, später kamen 6800. Wir standen vor dem Aufstieg in die 4. Liga. Wir haben es gegen den FC Sachsen verpasst. Schade für die Jungs, die um 16.30 Uhr als Azubis, Studenten oder Arbeiter vom Job kamen und um 17.30 Uhr auf dem Trainingsplatz standen.

Ihre Zeit beim Bundesligsten MSV Duisburg dauerte zwischen zwei Engagements in Greifswald nur drei Monate?
Zachhuber: Stimmt. Jürgen Kohler holte mich als Assistenten. Plötzlich waren wir aber in der sportlichen Krise und dann war Schluss. Ich war sicher, wir hätten die Mannschaft in der Bundesliga gehalten. Aber auch das hat mich gestärkt.
In Ihrem letzten Bundesligajahr in Rostock haben Sie 2000 René Rydlewicz aus Bielefeld verpflichtet. Nun hat er Sie als Trainer geholt?
Zachhuber: Ja. Verrückt, man trifft sich im Leben immer zweimal. Ich habe nur ein paar Wochen mit ihm zusammengearbeitet. Aber schon im ersten Gespräch haben wir eine Sprache gesprochen.

Ihr Vorgänger Dieter Eilts wurde nach der Niederlage gegen St. Pauli beurlaubt. Wie war das für Sie, danach in die Verantwortung zu gehen?
Zachhuber: Ich habe Eilts die Daumen gedrückt und hätte auf den Job für den Erfolg des Vereins gerne verzichtet. Es kam anders und nun bin ich wieder da, voller Tatendrang und voller Begeisterung.

Was hat Ihre Frau zu diesem Engagement gesagt?
Zachhuber: Sie wusste, dass ich zu Hansa nicht Nein sagen würde. Danach haben wir alle privaten Termine bis zum letzten Spieltag abgesagt…
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in den letzten Spielen.