Login



Noch kein Mitglied?
Jetzt Mitglied werden »

x

07.02.2007 09:31 Uhr

Das große Torwart-Kreuzverhör

Ein Trio kämpft um die Nummer eins im Rostocker Tor

Die Geschichte der Hansa-Torhüter war immer eine Erfolgsstory. Die Mecklenburger Jürgen Heinsch, Dieter Schneider oder Bernd Jakubowski waren in DDR-Zeiten als Auswahltorhüter nationale Repräsentanten ihres Landes zwischen den Pfosten. Nach der Wende imponierten die beiden Rostocker Juniorenauswahltorhüter Jens Kunath und Daniel Hoffmann, ihnen folgten der Thüringer DDR-Nationaltorwart Perry Bräutigam, der Berliner Martin Pieckenhagen sowie der Rostocker Daniel Klewer. Seit 2001 regiert als bislang unumstrittene Nummer eins der Marler Torwart Mathias Schober aus dem Ruhrpott im Hansa-Tor Aber noch nie hatte es ein Rostocker Keeper so schwer wie heute, die Nummer 1 zu sein. Denn Cheftrainer Frank Pagelsdorf hat zum Spieljahr 2006/2007 perspektivisch aufgerüstet und gleich drei gute Torhüter zur Auswahl. Hinter dem 30jährigen Mathias Schober (202 Erst- und Zweitligaspiele) stehen mit dem 25jährigen Jörg Hahnel (36 Zweit- und 18 Drittliga-Spiele) sowie dem 22jährigen Patric Klandt (52 Regionalligaspiele) zwei gleichwertige und erfolgshungrige Torhüter, die ehrgeizig um ihre Chance kämpfen. Wir baten alle drei Torsteher zum gemeinsamen Kreuzverhör.

 

Fußball ist ein Mannschaftssport – auch für Torhüter?
Jörg Hahnel: Natürlich, wir sind doch auf die Jungs vor uns angewiesen – auch wenn wir viermal die Woche unter uns trainieren. Aber Torhüter sind schon ein besonderes Völkchen.
Patric Klandt: Zuerst ist man Einzelkämpfer, dann ist man Mannschaftsspieler.
Mathias Schober: Na klar. Eine Hand wäscht die andere. Ich bin auf die Jungs vor mir angewiesen. Man verteidigt mit elf Mann…

Viele Torhüter sehen sich als Einzelkämpfer. Fühlt man sich nach einem Tor allein gelassen?
Jörg Hahnel: Das kommt auf das Gegentor an. Am Ende überlegt man immer, was man besser hätte machen können. Ich habe jedenfalls nach dem Spiel keine Angst vor Kritik. In Aue und in Rostock gibt es ja homogene Mannschaften ohne Zoff.
Patric Klandt: Ich habe diese Saison im DFB-Pokal 1:9 gegen Schalke verloren oder früher mal 0:10 auf die Schnauze bekommen. Das war schon grausam, da fühlt man sich ziemlich allein.
Mathias Schober: Nein. Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Auch wenn eine doofe Situation mal zum Gegentor führt.

Feldspieler dürfen Fehler machen. Fehler bei Torhütern sind im Prinzip schon Gegentore. Ist das gerecht?
Jörg Hahnel: Fehler dürfen sich nicht wiederholen. Nach Gerechtigkeit fragt keiner.
Patric Klandt: Gerechtigkeit gibt es im Fußball nicht. Wir haben es uns aber ausgesucht, im Tor zu stehen.
Mathias Schober: Beim Fehler eines Keepers ist der Ball eben schnell mal drin. Dann bist du der Depp. Aber bei guten Paraden bist du ja auch schnell der große Held.

Gibt es eine Angst des Torwarts vorm Elfmeter?
Jörg Hahnel: Torhüter können nur gewinnen. Da gibt es nach einem Treffer nie Kritik.
Patric Klandt: Nein, eindeutig nein. Du kriegts keine Schelte, gewinnst eher, wenn du hälst.
Mathias Schober: Nein, im Gegenteil. Du wirst schnell zum Helden, wenn es dir gelingt, dem Schützen den Schneid abzukaufen.

Welches war Ihr schlimmstes Torwart-Erlebnis?
Jörg Hahnel: Im ersten Zweitligaspiel für Aue gegen Bielefeld habe ich gepatzt. Das war bitter. Aber wir spielten noch Remis. Da war ich verdammt froh.
Patric Klandt: Das 1:9 gegen Schalke mit den Amateuren im DFB-Pokal 2006.
Mathias Schober: Letzte Saison gegen Braunschweig ging ein Ball an die Latte, an meinen Unterarm und dann war er drin. Das sah blöd aus. Als ausgeliehener Spieler vom FC Schalke 04 habe ich mal mit dem HSV in der 94. Minute ein Tor durch einen unberechtigten Freistoß am letzten Spieltag kassiert. Das war bitter, weil mein damaliger Verein Meister geworden wäre, so wurde er nur „Meister der Herzen“ und der FC Bayern gewann den Titel. Nach diesem Spiel bin ich übrigens zu Hansa gewechselt.

Mit wieviel Jahren haben Sie als Torwart angefangen?
Jörg Hahnel: Mit acht Jahren. Ich habe aber lange zweigleisig, also im Tor und im Feld gespielt. Sogar noch in der Zweiten von Aue habe ich im Feld gekickt. Als Profi ging das dann nicht mehr. Aber mitspielen tut gut.
Patric Klandt: In der C-Jugend mit 13 Jahren. Aber in der E-, D- und C-Jugend war ich auch immer noch Feldspieler wie Jörg.
Mathias Schober: Bis zum elften Lebensjahr habe ich Libero gespielt, ab der D-Jugend ging ich ins Tor.

Gab es für Sie ein Vorbild?
Jörg Hahnel: Weltmeister Bodo Illgner und mein Auer Torwarttrainer Jörg Weißflog.
Patric Klandt: Für mich war es immer Oliver Kahn.
Mathias Schober: Jean-Marie Pfaff fand ich früher toll.
Wer ist für Sie der beste Torwart der Welt, wer der beste deutsche Keeper?
Jörg Hahnel: Weltmeister Buffon aus Italien. Momentan ist Robert Enke meine Nummer eins.
Patric Klandt: Oliver Kahn natürlich.
Mathias Schober: Buffon aus Italien und mein ehemaliger Mannschaftskamerad Jens Lehmann.

Gibt es Freundschaft und Solidarität unter Torhütern?
Jörg Hahnel: Bestimmt. Ich habe keine Probleme mit meinen Konkurrenten, bin kein Stinkstiefel, auch als Nummer zwei nicht. Mit Tomasz Bobel und Mathias Schober kam ich bislang immer gut hin. Natürlich will trotzdem jeder Nummer eins sein. Die Gruppe aller Torhüter ist sehr kollegial.
Patric Klandt: Schwer ist es, den Torwart als Freund in der eigenen Mannschaft zu haben. Aber unter den Torhütern gibt es eine Art Solidar- und Leidensgemeinschaft.
Mathias Schober: Das kommt auf den Typ an. Ich bin das beste Beispiel. Ich habe mich mit Kollegen wie Reck, Lehmann oder Butt damals gut verstanden und pflege auch ein ordentliches Verhältnis mit meinen jetzigen Kollegen. Hans-Jörg Butt von Bayer Leverkusen ist heute sogar ein Freund unserer Familie, kam sogar zu meinem 30. Geburtstag 2006 nach Rostock – obwohl er kurz zuvor noch ein Bundesligaspiel hatte.

Was halten Sie vom Rotationsprinzip im Tor?
Jörg Hahnel: Nix. Aber einen Wechsel, wie ihn Thomas Doll beim HSV zwischen Kirschstein und Wächter jüngst vornahm, kann ich nachvollziehen. Aber ich verstehe auch Frank Pagelsdorf, dass er nach 17 guten Spielen von Schobi nicht wechselte – bei 10 zu Null-Spielen.
Patric Klandt: Mit Florian Stahl hatte ich einen gleichwertigen Konkurrenten in Wehen. Aber ich bin gegen Rotation. Das bringt beiden nichts.
Mathias Schober: Das bringt keine Sicherheit für den Mann im Tor. Man braucht Vertrauen von Trainern und Mitspielern. Durchspielen halte ich für klüger, wenn man nicht gerade vier Spiele am Stück Mist baut.

Würden Sie heute noch einmal Torhüter werden wollen?
Jörg Hahnel: Immer.
Patric Klandt: Ja, ich habe Spaß im Tor. Man ist schnell oben, aber auch schnell unten…
Mathias Schober: Ja, weil man weniger laufen muss…
Wann ist der einsamste Moment für einen Torhüter?
Jörg Hahnel: Wenn man – wie ich in Aue - nach einer Krankheit als Stammkeeper plötzlich auf die Bank rotiert wird.
Patric Klandt: Wenn man ein Tor fängt…
Mathias Schober: Wenn man kurz vor Spielende einen Ball passieren lassen muss und du verlierst, das ist immer bitter, aber eigentlich für jeden..

Wie wichtig ist der Torwarttrainer für Sie?
Jörg Hahnel: Absolut wichtig. Ich hatte das Glück, mit Jörg Weißflog und Perry Bräutigam zwei ehemalige DDR-Nationaltorhüter als Torwarttrainer mit großem Repertoire zu haben. Da lernt man auch dazu, wenn man nicht spielt. So war Rostock schon jetzt nach einem halben Jahr auch ein wichtiger neuer Anfang für mich.
Patric Klandt: Sehr wichtig, sie relativieren deine Leistung. Oft reden doch Leute über deine Leistung, die vom Torwartspiel gar keine Ahnung haben.
Mathias Schober: In Vorbereitung und Analyse kann er sehr wichtig sein.

Wie schwer ist es für Sie, auf der Bank oder auf der Tribüne sitzen zu müssen?
Jörg Hahnel: Total. Aber ich fiebere auch auf der Bank immer mit meinen Kollegen mit und freue mich total, wenn zum Beispiel mein Kumpel „Otto“ (Kern, d.R.) Tore macht oder wir gewinnen. Da bin ich auch mal schnell auf dem Platz nach dem Spiel…
Patric Klandt: Kein Torwart und kein Feldspieler sitzt gerne auf der Bank!
Mathias Schober: Das habe ich als junger Spieler auf Schalke ja auch sehr lange durchgemacht. Das waren im wahrsten Sinne des Wortes harte Zeiten. Es war wirklich schwer und ich muss es heute auch nicht mehr haben. Man ist auf der Bank oder der Tribüne immer ungeduldig und will es allen beweisen.

Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Jörg Hahnel: Ich arbeite an mir, Nummer eins zu werden und will endlich auch aktiv etwas für den Aufstieg in Rostock machen….
Patric Klandt: Erst einmal habe ich als junger Keeper mit meinem Wechsel zum F.C. Hansa alles richtig gemacht. Das nächste Ziel ist, in der Profi-Mannschaft zu spielen.
Mathias Schober: Fünf bis sechs Jahre will ich schon noch als Nummer eins spielen.