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01.11.2005 09:57 Uhr

Hinter den Hansa-Kulissen: Die Geheimnisse um den Hansa-Mannschaftsbus

Die Profis des F.C. Hansa Rostock haben gewissermaßen zwei Wohnzimmer, die heilig sind. Im Ostseestadion ist es die Kabine. Auf der Landstraße ist es der hauseigene Bus…
Der „Herr der  Straße“ ist beim F.C. Hansa in Rostock Heiko Aschenbrenner (39). Statistiker haben es ausgerechnet: Für die 17 Auswärtsfahrten in dieser Saison muss der „Bussi“ von Hansa 22,300 für die Hansa-Spieler runter schruppen. Aber das ist für „Aschi“ kein Problem, denn der Mann ist ein Profi am Steuer…
Allerdings, es dauerte eine gewisse Zeit, bis die Fußballer ihren Steuermann tatsächlich akzeptierten. Heiko Aschenbrenner erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitstag. Auf dem Kalender stand der 11. September 2003 und die Fahrt ging von Dierhagen zum Ostseestadion. Es war ein Heimspiel gegen Bochum. Hansa verlor – und das mit ihm sechs Spiele am Stück. „Seuchenvogel“ haben sie ihn genannt. „He, Aschi, bei uns brauchst du keine Winterreifen aufziehen“, haben sie ihn immer wieder aufgezogen. Als der Bann dann ausgerechnet im siebten Spiel gebrochen war, gehörte auch er endlich zum Team.
Was viele nicht wissen. Der gelernte KFZ-Schlosser und Berufskraftfahrer, der mit 18 Jahren schon seine Fahrerlaubnis machte und beim Rostocker Nahverkehr seine Karriere am Steuer begann, hat selbst einmal bei Hansa gespielt. Man soll es nicht glauben, aber „Aschi“ beschwört es. Er hat frührer in einem Jahrgang mit  Thomas Doll in einer Jugend-Mannschaft gespielt. Die Herren Ehlers, Brettschneider, Moschke waren in den fünf Jahren Hansa seine Trainer. Aber wie das so ist, Doll wurde deutscher Nationalspieler, Italien-Star, HSV-Trainer. „Aschi“ ein tagtäglicher Held der Landstraße. Vierzig Kilo später hat jüngst Dolly den „Aschi“ nicht mehr wieder erkannt. Bis sich der Nobody dem Superstar geoutet hatte. Doll ungläubig: „Ist ja irre, du bist der alte Aschi…“
Es war schon immer ein  Traum von Heiko Aschenbrenner bei Hansa die Profis zu fahren. Als vor zwei Jahren der Job in Rostock neu ausgeschrieben wurde, hat er von seinem Kumpel Alexander „Onko“ Kodera einen Tipp bekommen und seinem Chef Holger Ziegler von der Firma „Hameister“ (8 Fahrzeuge  plus zwei Hansa-Busse) sofort empfohlen, sich für den Wochenend-Auftrag zu bewerben. „Sportmuffel“ Ziegler tat es – aber nur weil Hansas Teammanager Karsten Wenzlawski sein ehemaliger Schulkamerad in Bad Sülze war. Hameister gewann die Ausschreibung und Aschenbrenner bekam dann tatsächlich den Job.
„Aschi“ kannte damals nur Zeugwart „Onko“ und dessen Kollegen Andreas Thiem –  der war wiederum eine Klasse über ihm in Rostock in der Schule…
Früher chauffierte Heiko Aschenbrenner Touristen durch Österreich, Italien und die Schweiz, heute fährt er die Hansa-Profis zu allen Spielen und unter der Woche die Arbeiter zwischen Graal-Müritz und Rostock.
Hansas Mannschafts-Bus, der „Mercedes 404“  ist dabei ein fahrendes Komfort-Haus. Er hat 32 Sitze und eine Schlafkabine. Das Fahrzeug wurde am im November 1998 zugelassen, hatte Ende September 2005 insgesamt 278.747 km runter. „Aschi“: „Für einen Bus ein Klacks…“
Der Komfort: DVD-Player, 3 Bildschirme, zwei Kühlschränke, eine Toilette, eine Schlafkabine, eine Küche, eine Mikrowelle.
Dazu kommt ein 220 Volt-Generator für Laptops oder andere elektrische Dinge. Jeder Platz ist belüftet. Es gibt eine Komfortbestuhlung, umklappbare Fußbänke, eine Klimaanlage, eine Audioanlage, Kissen und Decken. Was fehlt gegenüber anderen Bundesliga-Teams? Eine Fernsehantenne für TV-Übertragungen während der Fahrt.
Die Sitzordnung wird vor Saisonbeginn festgelegt. „Aschi“ verrät: „Vorne ist alles geregelt. Hinter dem Fahrer sitzen die Co-Trainer, dahinter der Zeugwart, rechts vorne von ihnen der Cheftrainer. Mit jedem Saisonstart wird am ersten Tag um die Plätze gekämpft. Da geht es zu wie am Strand von Mallorca. Jeder belegt seinen Platz, den er möchte mit irgendeinem Gegenstand…“
Was ist heute der Unterschied zwischen Bundesliga und 2. Liga?
Früher wurden maximal 300 km mit der Mannschaft gefahren, also nach Wolfsburg, Hamburg, Hannover, Berlin, Bremen. Heute gibt es in der Regel nur noch Flüge zu den Spielen, Rückfahrten werden per Bus absolviert. Für Fahrten wie nach Villingen oder München kriegt „Aschi“ einen Ersatzmann vom Busunternehmen Hameister gestellt.
Oft ist dann am frühen Morgen nach einem Spiel erst Endstation. Dann nimmt „Aschi“ den Staubsauger zur Hand und in 20 Minuten ist der Wagen wieder wie zur Abfahrt bereit. Aschenbrenner: „Die Jungs sind wirklich sehr korrekt. Aber ansonsten gibt es für sie ja auch Geld-Strafen. Doch ich habe noch nie einen Spieler an den Kassenwart verpfiffen…“
Übrigens, auch für den Busfahrer gibt es eine Kleiderordnung. Die wiederum bestimmt der Kapitän. Wenn Anzug gefragt ist, muss auch „Aschi“ als „Flanello“ auftreten. Manchmal gestatten die Spieler ihm aber auch schon mal den Freizeit-Anzug. Sie wissen schon, was sie an ihm haben. Denn einen Joker hat Heiko Aschenbrenner gerade bei langen Heimfahrten immer im Ärmel, die Schlafkabine. Momentan hat hier der kleine Kapitän Renè Rydlewicz die besten Karten. Kollege Mathias Schober hat es jetzt auch mal dort unten probiert. Aber die Kabine ist für den groß gewachsenen Torwart  irgendwie doch zu eng…
Heiko Aschenbrenner kann sich heute keinen schöneren Job, als Busfahrer von Hansa zu sein, vorstellen. Und: Mit Armin Veh, Juri Schlünz und Jörg Berger hat er in nur zwei Jahren schon drei Trainer überlebt. „Ich hoffe, Pagel bleibt jetzt mal etwas länger und bringt uns zurück in die Bundesliga. Dann hätte ich zwar wieder mehr Lehrfahrten und Transfers vom und zum Flughafen. Aber den Nachteil nehme ich für die Bundesliga gerne in Kauf.“
Und: Jetzt erkennt ihn ja auch der „Dolly“ wieder…