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28.12.2005 08:46 Uhr

40 Jahre F.C. Hansa: Die Kogge als Markenzeichen

Am 28. Dezember 2005 feierte der F.C. Hansa Rostock seinen 40. Jahrestag. Der Fußballverein von der Ostsee-Küste hat in den Jahren seiner Geschichte viele Stürme erlebt. Die Wurzeln der Fußballer liegen im Erzgebirge. Aus Empor wurde Hansa, aus einem Sportverein einer Handelsorganisation ein Fußball-Klub. Der F.C. Hansa und Dynamo Dresden qualifizierten sich zur Wende als erste Bundesligisten aus der ehemaligen DDR. Zweimal schafften die Hanseaten seither den Aufstieg. Zehn Jahre etablierten sich die Rostocker in der Bundesliga und da wollen sie im WM-Jahr 2006 zum dritten Mal wieder hin. Ihr Hoffnungsträger ist wie einst: Frank Pagelsdorf. Der F.C. Hansa Rostock ist auch als Zweitligist das Flaggschiff in den Neuen Bundesländern. Lesen sie mal, welche Wellen die Kogge in 40 Jahren nehmen musste…

Allein die Vision ist aus heutiger Sicht unvorstellbar: Eine Partei verpflanzt einen Fußball-Verein aus dem dicht besiedelten Ruhrgebiet ins Fußball-Niemandsland Schleswig-Holstein…
Die Realität in der DDR war vor über 50 Jahren aber so.
Das Tabellen-Bild der so genannten DDR-Oberliga ähnelte dem des Fußballs im tiefen Westen zwischen Bochum und Aachen heute.
Die Vereine in Sachsen und im Erzgebirge hießen damals Dynamo und Rotation Dresden, Wismut Aue, Motor Zwickau, Fortschritt Meerane oder da waren die Klubs aus Karl-Marx-Stadt, von Einheit Ost-Leipzig und Empor Lauter.
Mecklenburg-Vorpommern unterdessen war (noch) Fußballbrachland.
Also beschlossen die Genossen der SED in der Hauptstadt Berlin im Jahre 1954/55 flugs, einen sächsischen Oberligisten per „Marschbefehl“ aus den Bergen an die See zu schicken.
Sächsische Spieler wie die heutigen Vereins-Veteranen Kurt Zapf und Karl Pöschel wurden mit doppeltem Monatsgehalt, mit Neubau-Wohnungen und Urlaubsplätzen geködert. Innerhalb von nur drei Wochen, mitten in der Saison, verschwand so Lauter von der Oberliga-Karte, Rostock war die neue Fußball-Adresse des Oberliga-Spitzenreiters! Zapf, Pöschel und Freunde fuhren bei Nacht und Nebel mit dem Zug davon, an die Ostseeküste.
Der historische 14. November 1954:
Sonntag mittag musste Empor Rostock gegen Chemie Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) ran. 18.000 erwartungsfrohe Zuschauer saßen im halbfertigen Ostseestadion - aber nur zehn Rostocker (und zwei schwächelnde Reservespieler) in der Kabine. Erst kurz vor Spielbeginn kam noch ein Kicker aus Warnemünde. Unter diesen Umständen war ein 0:0 der Mannschaft von Oswald Pfau (später anerkannter Bundesliga-Trainer in Dortmund!) schon ein Erfolg.
Ganz lange war Empor danach so eine Art „Meister der Herzen“, oft nur Vize-Meister (1962, 1963, 1964, 1968) in der Oberliga oder Pokalsieger-Verlierer (1955, 1957, 1960, 1967, 1987). Ewig Zweiter eben.
Der nächste Kultur-Schock:
Im Jahre 1965 griffen SED und DTSB in Berlin ein zweites Mal in den Fußball ein. Aus den Vereinen der Leistungszentren wurden durch einen so genannten Fußball-Beschluss eigenständige Fußballvereine. Aus dem ASK Vorwärts wurde der FC Vorwärts, aus Dynamo Berlin der BFC Dynamo, in Leipzig wird der 1. FC Lok, in Magdeburg der 1. FCM, in Jena der FC Carl Zeiss gegründet und aus dem SC Empor Rostock wurde nun der F.C. Hansa Rostock!
Die Geburtsstunde des F.C. Hansa war so am 28. Dezember 1965 im Kultursaal der Deutschen Post. Erster Präsident: Heinz Neukirchen.
Die Rostocker Clubchronik vermerkte, dass die Unterzeichnung der Gründungsurkunde des neuen FC Hansa Rostock genau um 18.32 Uhr stattfand. In einer Volksumfrage wurden der Name "Hansa" und als Symbol die Kogge am häufigsten genannt. Sowohl der Begriff "Hansa" als auch das bauchige Segelschiff bekamen Marken-Qualität im deutschen Fußball.
Kurios: Am Ende der DDR wurde aus dem „Meister der Herzen“ doch noch ein DDR-Meister und Pokalsieger. Der Erfolgstrainer hieß Uwe Reinders und war Vize-Weltmeister aus Bremen. Der Kapitän hieß Juri Schlünz und war später mehrmals als Cheftrainer im Amt. Der Amerikaner Paul Caliguri war unterdessen der erste Ausländer im Team.
Im Double des Jahres 1990/91 steckte aber auch noch  die Qualifikation für die Bundesliga.
Das Geheimnis des Rostocker Erfolges formulierte Juri Schlünz damals so: „Überall gingen die besten Ost-Spieler in den Westen. Wir haben zusammen gehalten und sind über Jahre stabil gewachsen.“
Im ersten Bundesliga-Jahr wurden mit Spies, Straka und Bodden gleich drei Gladbacher in diesen Kreis bestens integriert.
Heiko März, ein Held der neunziger Jahre, heute: „Die Wende hat uns zu mehr Selbstbewusstsein und Selbständigkeit geführt. Wir kämpften in der Gruppe mit den Problemen der neuen Zeit. Jeder half jedem. Ich hätte nach Bremen, Schalke oder Köln gehen können. Aber ich wollte hier in einer gewissen Geborgenheit bleiben. Aber von den Wessis haben wir dann gelernt, egoistisch Fußball zu spielen und zu denken.“
Mit Leidenschaft und Moral umschiffte die „Kogge“ auch den großen Absturz nach dem Abstieg im ersten Jahr.
1995 war Hansa wieder da. Fußball-Lehrer Frank Pagelsdorf holte unbekannte Fußballer-Spieler von den kleinen Vereinen, die am Ende schnell Nationalspieler wurden. Rehmer (Union), Schneider (Brandenburg), Beinlich (Aston Villa). Stefan Beinlich: „Bei Hansa hatte ich die Chance, als Nobody groß zu werden.“
Diesen Karriere-Schub  schafften schließlich auch Jonathan Akpoborie (später Stuttgart; Wolfsburg), Victor Agali (Schalke), Oliver Neuville (Leverkusen, Gladbach) oder Sergej Barbarez (HSV).
Der unvermeidbare Verkauf manches Profis war am Ende auch das Fundament für ein neues, modernes Stadion. Allein unter Manager Herbert Maronn kamen Transfererlöse von fast 20 Millionen Euro rein. Zum Vergleich: 30 Millionen kostete nur das neue Ostseestadion.
Auch die Liste der Trainer ist ein Stück Bundesliga: Reinders, Rutemöller, Hrubesch, Pagelsdorf, Lienen, Funkel, Veh, Berger, dazu Heinsch, Zachhuber und Schlünz aus dem eigenen Haus.
Wie sagte Hansa-Legende Juri Schlünz immer: „Der F.C. Hansa ist längst kein Ostverein mehr, es ist ein Nordverein, nahe Berlin, Lübeck und Hamburg.“
So hielt man sich 10 Jahre im Oberhaus!
So bitter der Bundesliga-Abstieg des F.C. Hansa als letztem Verein aus den Neuen Bundesländer im Mai 2005 auch war, für Manfred Wimmer, den Vorstandsvorsitzenden des Klubs, soll der Gang in die 2. Liga nur ein „Betriebsunfall“ gewesen sein.
Die Marke Hansa bommt jedenfalls auch jetzt noch!
Im Vorjahr hatte Hansa rund 2000 Mitglieder, mit dem Tage der letzten Mitgliederversammlung im November 2005 waren es 2640.
Hansa kalkulierte die Zweitliga-Saison mit 10000 Zuschauern. Die Realität liegt bei 18000 Fans pro Heimspiel. Also so viel wie in der Bundesliga.
Die Fans identifizieren sich wieder mit ihrer Mannschaft, zumal Trainer Frank Pagelsdorf einen großen Schnitt gemacht hat und das Team um Kapitän René Rydlewicz mit hungrigen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs total verjüngt und verbessert hat.
Nach einer Umfrage von „Sport und Markt“ aus dem September 2005 rangiert der F.C. Hansa jedenfalls in der Popularität aller Profivereine auf Rang 13 – auf einer Höhe mit Hertha BSC -  und ist damit auch beliebtester Verein der 2. Liga!
Marketing-Chef Ralf Gawlack: „Unsere Fans kommen heute aus ganz Deutschland und sie wollen den Verein wieder in der Bundesliga sehen….“
Finanziell beendete Hansa das Geschäftsjahr mit einem Minus von 430 000 Euro, was aufgrund des geringen Zuschauerzuspruchs in der Abstiegssaison nicht verwundert. Trotzdem ist der Verein finanziell gesund und hat ein Vermögen von etwas mehr als einer Million Euro aufzuweisen.
Im Haushaltsplan für die laufende Zweitligasaison stehen Einnahmen in Höhe von 14,79 Mio. Euro Ausgaben in Höhe von 16,04 Mio. Euro gegenüber. Der daraus resultierende Fehlbetrag von 1,25 Mio. Euro konnte inzwischen durch die sehr guten Zuschauerzahlen und die Einnahmen aus dem DFB-Pokal erheblich reduziert werden.
Zum 40. Jubiläum des Vereins hat Manfred Wimmer den F.C. Bayern München zu einem Festtags-Spiel eingeladen. Am 18. Januar 2006 werden Kahn und Co. in Rostock zu Gast sein. Wenn es nach Wimmer, Pagelsdorf und den Fans geht, sollen solche Spiele ab der neuen Bundesliga-Saison aber wieder zum Alltag werden…
Die „Kogge“ ist 2005 gekentert, aber sie ist nicht gesunken. Die neuen Segel für das Oberhaus liegen schon bereit!

Quelle: Bundesliga-Magazin, Ausgabe Januar 2006, Klaus Feuerherm