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29.06.2010 10:39 Uhr

Juri Schlünz: „Dieser Erfolg ist keine Eintagsfliege“

Er ist ein Vater des großen Nachwuchserfolges beim F.C. Hansa: Juri Schlünz. Hansa-Online traf den Leiter des Nachwuchsleistungszentrums nach dem Gewinn der deutschen A-Junioren-Meisterschaft zum Interview.

Hansa-Online: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft. Kein ostdeutscher Verein vor dem FCH hat es geschafft, in den letzten 20 Jahren eine Meisterschaft im gesamtdeutschen Raum zu erringen. Wir fühlt man sich danach?

Juri Schlünz: Sehr gut. Es war ein sehr schönes, sehr emotionales Erlebnis in Leverkusen. Ich bin stolz, dass die Jungs es bis zum Schluss durchgezogen und ihr Ziel als Mannschaft erreicht haben. Denn nur so kann man bestehen: mit mannschaftlicher Geschlossenheit. Ein sehr schönes Gefühl und auch eine Bestätigung seiner Arbeit.

Als der Schlusspfiff ertönte: Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen oder denkt man dann überhaupt an etwas?

Juri Schlünz: Man sitzt auf der Tribüne und ist erst einmal froh, dass man bei 30 Grad Celsius nicht auf dem Platz stehen muss. Man war ja selbst einmal Spieler, auch wenn das schon etwas länger her ist, und weiß wie das ist. Aber dann kommt der Pfiff und man hat richtige Glücksgefühle. Man sieht die Jungs, die sich gegenseitig umarmen und freuen. Ich bin dann auch sofort runter auf das Feld und habe den Jungs zu ihrem Erfolg gratuliert.

Worin sehen Sie den Schlüssel für diesen großen Erfolg?

Juri Schlünz: Dieser Erfolg ist ja nun keine Eintagsfliege. Wir bestimmen mit unseren A-Junioren nun schon seit Jahren das Niveau in der A-Junioren-Bundesliga mit. Wir waren vor drei Jahren Dritter, vor zwei Jahren Zweiter, nun sind wir Erster der Staffel Nord/Nordost. Wir haben in unseren Reihen Spieler, die schon seit Jahren beim F.C. Hansa spielen, andererseits haben wir Spieler dazu geholt. Die Ausbildung mit den sportbetonten Schulen und das Frühtraining tragen ihre Früchte. Hier trainieren täglich rund 60 Kinder schon am frühen Morgen. Und wir haben mit Michael Hartmann und Torsten Pinkohs ein sehr gutes Team. Sie haben es geschafft, den Jungs das beizubringen, was es braucht, um gegen große Teams wie Leverkusen, Hertha oder Werder Bremen zu bestehen.

Stichwort Leistungs-Nachwuchszentrum: Lange hieß es, bringt solch ein Leistungszentrum überhaupt etwas, kommt der Erfolg und macht es Sinn, dort Geld zu investieren?

Juri Schlünz: Ich glaube, dass es beim F.C. Hansa in der Nachwuchsarbeit wenig zu kritisieren gibt. Das kann man nach gut zehnjähriger Arbeit beruhigt so hinstellen. Wir haben als Vorreiter in Deutschland gearbeitet. Das Wichtigste in der Nachwuchsarbeit ist Geduld. Doch wer hat in der heutigen Zeit überhaupt noch Geduld? Deswegen mag ich diesen Job so sehr, es ist wirklich mein Traumjob. Ich habe Geduld mit den Jungs. Ich sehe es auch als eine Fortführung der Nachwuchsarbeit aus DDR-Zeiten, in denen wir Jugend- und Juniorenmeister geworden sind. Mit dem Titelgewinn am Sonntag haben wir wieder auf uns aufmerksam gemacht. Wir haben tolle Jungs und ich hoffe, dass wir die meisten von ihnen auch bei uns halten können.

Fakt ist: So eine Nachwuchsakademie baut man nicht von heute auf morgen auf. Es benötigt enorm viel Zeit. Sie haben im vergangenen Jahr die „Hansa-Bibel“ erarbeitet, um die Strategie auf kurzfristige und langfristige Sicht an die Trainer heranzutragen. War das auch ein Baustein des ganzen Konstrukts gewesen?

Juri Schlünz: Naja, man wächst mit seinen Aufgaben, hat neue Ideen und übernimmt auch ein paar Sachen. Das einheitliche Ausbildungskonzept ist immer noch in Arbeit, das macht man auch nicht zwischen zwei, drei Monaten. Man darf auch nicht vergessen, dass es in den vergangenen zwei bis drei Jahren im Verein drunter und drüber ging, auch im Lizenzbereich. Dort hat man in zwei Jahren mit vier verschiedenen Cheftrainern gearbeitet, mit denen man auf einen Nenner kommen musste. Jetzt sind wir in der 3. Liga angekommen und gerade dann ist es umso wichtiger, ein ordentliches Konzept zu haben.

Wie wichtig ist so ein Meistertitel für die Zukunft. Auch, um solch ein Leistungszentrum zu erhalten?

Juri Schlünz: Das Niveau zu halten, wird ganz schwer. Da muss man sich auch ganz ehrlich in die Augen schauen und sagen, dass es nicht so bleiben wird wie vor drei Jahren, als wir noch in der 1. Liga waren. Es wird Einschnitte geben und auch Entscheidungen, die nach außen sicher nicht nachvollziehbar erscheinen mögen. Aber wenn man kein Geld zur Verfügung hat, kann man es auch nicht ausgeben. Wir haben unsere Mittel im Nachwuchsbereich aber immer sehr verantwortungsvoll eingesetzt. Nicht zuletzt haben wir nur ein Viertel des Etats anderer Vereine. Wir werden uns noch mehr Gedanken machen, aber es wird eine schwere Zeit.

Mit Blick nach vorn: Wie sehen Ihre persönlich Ziele als Chef des Leistungszentrums aus?

Juri Schlünz: Das oberste Ziel ist es, Spieler anzubieten, die dann in der ersten Mannschaft spielen. Dafür muss man den Nachwuchsspielern zeigen, dass es doch leichter ist, im Männerbereich in der 3. Liga Fuß zu fassen als in der 1. Liga. Das Wichtigste ist aber, das Niveau aufrechtzuhalten und die Hansa-Familie im Nachwuchsbereich bei der Stange zu halten. Damit die Eltern der Jungs sehen, dass alle Betreuer und Trainer Tag und Nacht da sind, um ihre Kinder gut zu betreuen und vor allem auszubilden.

In der kommenden Saison werden Kevin Müller und Lucas Albrecht in den Profi-Kader aufrücken. Sehen Sie noch andere Spieler, die in ein oder zwei Jahren diesen Sprung ebenfalls schaffen können?

Juri Schlünz: Mir liegt der 92er-Jahrgang sehr am Herzen, schließlich habe ich ihn selbst für ein Jahr trainiert. Da sind viele Talente dabei, die ihren Weg machen werden. Auch bei den A-Junioren sind jetzt viele der 92er dabei. Dann habe ich mit Tom Trybull, Lucas Albrecht und Moris Fikic neue Spieler dazu geholt. Vor zwei Jahre habe ich Michael Hartmann die Verantwortung für die A-Jungend übertragen. Diese Entscheidung war goldrichtig. Er und sein Team haben hervorragende Arbeit geleistet. Nicht umsonst ist er jetzt Co-Trainer in der ersten Mannschaft.

Ist es der einzig mögliche Weg, auch angesichts der finanziellen Lage, auf den eigenen Nachwuchs zu setzten. Oder muss es einen Mix geben aus Nachwuchs und neuen Spielern von auswärts im Profikader?

Juri Schlünz: So war es eigentlich angedacht. Für mich ist es der optimale Weg, es aus der A-Jugend direkt in die erste Mannschafft zu schaffen. Das sind dann die richtig guten Talente. Aber auch die müssen sich dort erst beweisen. Hat man dann dort viele junge Spieler, die diesen schweren Weg nicht gehen können oder stagnieren, bekommt man wiederum Probleme in der ersten Mannschaft. Deshalb ist es wichtig, dass man ein Gerüst hat, bestehend aus erfahrenen Spielern. Diese müssen dann auch Verantwortung für die jungen Spieler übernehmen. Das ist in einer Zeit, in der viele Spieler nur an sich denken, aber nicht immer gegeben. Das ist auch ein Problem und der Grund, warum wir jetzt in der 3. Liga spielen.

Das ist eine klare Aussage. Haben Sie nach dem erlebten von Sonntag noch etwas auf dem Herzen, was Sie gern los werden möchten?

Juri Schlünz: Also, ich fühle mich wohl. Nun hat man auch nach außen hin Früchte ernten können. Der Nachwuchsbereich steht sonst nicht so sehr im Rampenlicht, es gehen sonst keine Lichter und Kameras an. Jetzt haben wir einen Erfolg, der auch nach außen strahlt. Die Meisterschale werden wir uns mit einem dicken Nagel an die Wand hängen und ich hoffe, dass wir mit der A-Jugend auch im kommenden Jahr eine gute Runde spielen werden.

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