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19.04.2006 09:17 Uhr

Prica – ein Fußballer gewissermaßen zwischen Genie und Wahnsinn

Rade Prica hat einmal am Anfang seiner Karriere in Rostock im Spaß in einem Interview gesagt, er sei wie eine Flasche Ketchup. „Erst kommt gar nichts und dann kommt alles auf einmal.“ Der Reporter hat daraufhin aus dem Schweden den „Ketchup-Stürmer“ gemacht. Rade hat das eigentlich nicht besonders gefallen. Aber er hat es am Ende ertragen.
Rade Prica und der F.C. Hansa – der Schwede hat freilich immer seine Kritiker und Fans polarisiert.
Mal haben sie ihn geliebt und gefeiert. Dann war er der kaltblütige Torjäger, der Tore aus dem Nichts macht. Mal haben sie ihn ausgepfiffen und weg gewünscht. Dann war er der Versager, der nicht einmal einfache Bälle ins Tor des Gegners bringt.
Prica – ein Fußballer gewissermaßen zwischen Genie und Wahnsinn. So ein Mensch lebt immer zwischen Euphorie und Traurigkeit.
Rade – ein Kämpfer, ein Fußballer, der immer zwischen Gelb und Rot spielt.
Prica – ein Schwede, der mit 21 Jahren aus Helsingborg kam und einen Vierjahresvertrag unterschrieb.
Nicht jeder hat ihn bis heute geliebt, aber alle haben ihn immer für seine Kampfkraft bewundert. Ein Prica ging jedenfalls stets mit einem schmutzigen Trikot vom Platz. Und: was kaum einer wusste: Oft spielte er mit Spritzen, weil er immer glaubte, gebraucht zu werden, und dem Verein helfen zu müssen. Nein, ein Weichei war dieser Rade Prica bestimmt nie…
Rade Prica gibt eigentlich nicht wirklich nicht den “typischen” Schweden ab. Die Erklärung ist einfach: Seine Eltern stammen aus Kroatien. Doch vom Temperament der Menschen vom Balkan bekam er so viel erst einmal nicht in die Wiege gelegt. „Rade ist privat vom Typ her ein echter Schwede, sehr ruhig”, sagt sein Freund und Kollege Magnus Arvidsson über seinen Landsmann.
„Ich bin in Ljungby in Schweden geboren und nur mit Schweden aufgewachsen”, erklärt uns Rade. Allerdings gibt er auch zu: „Beim Fußball ist das dann wirklich alles anders. Da habe ich durchaus schon oft südländisch und sehr emotional reagiert und bereits früher schon immer sehr viele Rote Karten kassiert.”
Dann erkennt man den kroatischen Stammbaum doch noch, ehe der Weg in die skandinavischen Wälder führte.
Der Großvater und dessen Frau Juliana zogen mit Rades Papa Dragan vom warmen Split ins nordische Skandinavien, als dieser erst drei Jahre alt war. Rades Mutter Maria stammt auch aus Kroatien. Ihre Familie wohnt noch da. Die Familie von Dragan Prica, der vor einem Jahr starb, lebt unterdessen komplett in Schweden.
Rade dazu: „Ich verstehe kroatisch, rede mit meiner Mutter auch nur in dieser Sprache. Ich bin nicht perfekt, aber es geht.“
Rade selbst ist am 30. Juni 1980 in Ljungby geboren. Hier ist er auch als Jungstar aufgewachsen.
Als Sportler war Rade Prica schon als kleiner Junge ein Universal-Talent. Er war Schwimmer, Volleyballer und Leichtathlet. Er spielte im Winter Bandy (eine Art Eishockey mit Ball) und im Sommer Fußball.
Seine treuesten Fans haben ihn jüngst bei einem Interview gefragt: Rade, kannst Du nachfühlen, wie manche Fans auf den Tribünen leiden, wenn du Chancen vergibst? Rade antwortete verdammt ehrlich: „Ja klar, ich sehe das ja auch an meiner Frau Anna, die ist genauso. Und es geht mir ja auch selbst so, wenn du 0:0 spielst oder verlierst und weißt, dass du selbst große Chancen hattest. Wenn du gewinnst ist es egal, aber wenn du verlierst, ist das schlimm. Da verstehe ich die Fans. Ich glaube, ich denke zu viel, wenn ich die großen Chancen bekomme, frei vorm Torwart stehe. Ich muss lernen, den Kopf auszuschalten in diesen Situationen.“
Rade erinnert sich an ein Spiel gegen den SC Freiburg. Hansa gewann, aber Prica hatte einige Chancen vergeben. Die Fans pfiffen, der Schwede konnte sich aus eigenem Frust gar nicht mit seinen Kollegen freuen. Zwei Stunden saß er fast allein in der Kabine und grübelte…
„Ja, ich bin ein Gefühlsmensch, als Spieler musst du deine Emotionen auch ausleben dürfen, und da muss auch ein Schiedsrichter mal ein gewisses Gefühl für die Situation entwickeln. So wie in England. Heute muss ich sagen: Der Fußball in Deutschland liegt mir vielleicht nicht so, wie vielleicht eben der Fußball in England oder in Skandinavien, da kann ich richtig in die Zweikämpfe gehen, hier in Deutschland wird immer alles abgepfiffen.“
Prica gesteht heute auch ehrlich, diese Pfiffe der eigenen Anhänger tun weh. „Ich weiß, dass es viele Pfiffe von der Südtribüne hinter dem Tor gibt. Es sind nicht viele, die pfeifen, aber ich finde das nicht schön und ich verstehe es nicht.“ In solchen Momenten flüchtete Rade am liebsten in die Arme der Familie.
„Rade ist ein Familienmensch, ein guter Ehemann und liebevoller Vater", sagt Ehefrau Anna von ihrem Mann. „Er kümmert sich sehr um unsere beiden Söhne Tim und Liam.“
Rade Prica hat schon im März 2006 den F.C. Hansa informiert, dass er seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird und einen Dreijahresvertrag beim dänischen Erstligisten Aalborg BK unterschreibt. „Ich habe lange darüber nachgedacht und die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Aber ich brauche einen Neuanfang. Ich bin nicht zufrieden mit den Leistungen, die ich hier gezeigt habe. Ich weiß, dass ich viel mehr kann. Ich weiß nicht, woran es liegt, dass es bei Hansa nicht so geklappt hat. „Vielleicht hilft mir da auch mein Wechsel, in Aalborg wird viel mit Mentaltrainern gearbeitet…“