Login



Noch kein Mitglied?
Jetzt Mitglied werden »

x

05.02.2018 08:31 Uhr

RÜCKPASS: HANSA-GESCHICHTE(n): Der emotional total verkannte Messias

Heute feiert Hansas Kulttrainer Frank Pagelsdorf im fernen Florida seinen 60. Geburtstag. Auf einer Sympathiewelle schippern die Glückwünsche übern großen Teich.

Nach einem 3:1 gegen die SpVgg Unterhaching und Hansas besiegelter Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs war an diesem 20. Mai 2007 angerichtet. Das Therapiebecken im Heiligtum des F.C. Hansa.  Angenehm temperiert und mit der gebotenen Tiefe. Und Trainer Frank „Pagel“ Pagelsdorf sprang in voller und vor allem wohlfeiler Montur hinein. Das war jene Intuition, die man dem Mann wegen seiner am Spielfeldrand oft genug gezeigten emotionalen Askese gar nicht zugetraut hätte. Nicht umsonst wurde „Pagel“ auch als „Buddha von der Küste“ bezeichnet. Eine totale Überspitzung, denn schließlich hatte einst der junge Pagelsdorf, ein formidabler Mittelfeldspieler im Fadenkreuz der Auswahltrainer, in Diensten von Borussia Dortmund in den späten 1980er- Jahren bei einer Pressekonferenz einem Boulevardreporter eine Dose Cola über den Kopf gegossen. Wahrscheinlich um dessen prickelnde Fragen plakativ zu machen.

Pagelsdorf? Mit Anfang 30 beendete er verletzungsbedingt seine Spielerkarriere in seiner Heimatstadt bei Hannover 96. Dort wurde er Nachwuchstrainer ehe ihn 1992 der Ruf von „Eisern Union“ aus der Berliner Wuhlheide ereilte. „Ich fühle wie ein Ossi“, bekannte Pagelsdorf damals und sprengte sofort das Bild penetranter Schaumschläger aus dem Westen, die den ostdeutschen Kickern Fußball beibringen wollten. Hemdsärmeliger Fußball, der nach Leder roch – in zwei Jahren bei Union rammelte Pagelsdorf die Emotionsskala rauf und runter.

„Den brauchen wir“, folgerte Hansa-Ikone Gerd Kische. Nach dem Rostocker Bundesligaintermezzo 1991/92 kurvte jahrelang die Kogge im Brackwasser der Zweiten Liga nur im Kreise. Pagelsdorf sollte 1994/95 mit der Mannschaft die Segeltücher wieder in den Sturm halten. Verstärkung zu den Arrivierten musste her: Beinlich, Breitkreuz, Baumgart. Nach einem 5:0 gegen den 1.FC Nürnberg im letzten Vorrundenspiel prophezeite „Pagel“, seine Truppe würde fortan keine Partie mehr verlieren. Das war eher der Emotion denn der Realität geschuldet. Jedenfalls trotzdem Aufstieg in die Bundesliga und dann dort sofort Platz 6 (mit dem großartigen „Jonny“ Akpoborie). Frank Pagelsdorf und seine Mannschaft begründeten ein zehnjähriges Kapitel Bundesligageschichte des F.C. Hansa, das dem Verein eine hohe sportliche und gesellschaftliche Reputation verschaffte. Als „Pagel“ 1997 den Klub verließ hatte er mehr als seine Schuldigkeit getan.

Als er acht Jahre später wieder auf der Kogge anheuerte erschien Pagelsdorf fast wie der Messias. Nicht selbstbestimmt sondern abverlangt. Hansa dümpelte mal wieder in der Zweitklassigkeit. Auf „Pagel“ ruhten Hansas Hoffnungen und er erfüllte sie: Er hatte eine verschworene Crew an Deck, die vereint 2007 den abermaligen Aufstieg schaffte. Nachdem die Kogge im sicheren Hafen ankerte, tränten die Augen bei „Pagel“ – da ist er ganz der Wassermann – auf Hochpegelstand.

Nicht alles was Pagelsdorf in seinen Trainerjahren bei Hansa tat verifizierte ihn zum Heilsbringer. In Erinnerung jedoch bleiben seine hochgradig emotional untersetzten Aufstiegsjahre mit dem Koggen-Club. Herzlichen Glückwunsch!