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02.07.2016 06:00 Uhr

RÜCKPASS: HANSA-GESCHICHTE(n): Goldköpfchen traf Silbermine

Ende der 1960er Jahre veredelte Gerd Kostmann das Spiel des F.C. Hansa mit tollen Toren. Ein Goalgetter mit erstaunlicher Treffsicherheit. Heute wird „Goldköpfchen“ 75 Jahre alt.

Nein, sie besaßen keinen Torjäger mehr. Punkt, aus, fertig! Noch einmal hatten in der Saison 61/62 Arthur Bialas (mit 23 Treffern Torschützenkönig der DDR-Oberliga) und Heino Kleiminger (18) die Rostocker zur Vizemeisterschaft geschossen. Die beiden folgenden Saisons, jeweils als Meisterschafts-Zweiter beendet, sahen Wolfgang „Sachse“ Barthels (9 Tore) und Werner Drews (10) als beste Schützen. Akzeptable Quoten für sie wohl, aber Torjäger? Es kam wie es kommen musste: Mitte der 1960er Jahre driftete Empor/Hansa, eigentlich Titelaspirant, immer mehr Richtung Mittelmaß ab. Dabei hatten die Verantwortlichen längst einen auf dem Radar, der helfen konnte: Gerd Kostmann. Den Wolgaster, gerade frisch gekürter Bezirksmeister mit Motor Wolgast und Aufsteiger in die DDR-Liga, holten die Hanseaten. Erstes Punktspiel am 9. August 1964 in Aue (0:0), eine Woche später beim 4:0 gegen den SC Aufbau Magdeburg (4:0) mit drei Toren sofort der Held des Spiels. Der 23-Jährige absolvierte in seiner ersten Saison 10 Spiele (5 Tore). In den beiden folgenden Serien fehlte Kostmann im Aufgebot. Hansa hingegen kultivierte in der Saison 66/67 mit 27 Treffern in 26 Begegnungen eine harmlose Spielkultur und mit Platz 10 den Inbegriff des muffig-grauen Durchschnitts.

„Goldköpfchens“ Renaissance! In der Saison 67/68 stand Kostmann von Anbeginn im Stammkader. 10 Tore nach 12 Spielen. Mit ihm gewann das Rostocker Spiel, technisch Dank Pankau, Seehaus, Barthels und Drews ohnehin ausgefeilt, deutlich an torgefährlichem Zuschnitt. Nach Jahren der Tristesse avancierte Hansa wieder zu einem Meisterschaftskandidaten.  Am Ende stand zwar erneut nur die Vizemeisterschaft, dafür wurde Kostmann mit 15 Treffern Torschützenkönig im Oberhaus vor den Arrivierten Löwe, Vogel, Sparwasser oder Bauchspieß. „Goldköpfchens“ Spezialität? Natürlich Kopfballtore. Ein absoluter Spezialist, wie seine Nachfolger Joachim Streich und Rainer Jarohs heute noch bewundernd applaudieren.

Hansas drittes EC-Spiel seiner Geschichte brachte die Truppe von Trainer Gerhard Gläser mit dem AC Florenz zusammen. Ein legendäres Spiel am 13. November 1968: Einer ereignisarmen ersten Halbzeit ohne Tore folgte in der 70. Minute das 1:0 durch Kostmann. Einem Freistoß von Pankau flog „Goldköpfchen“ entgegen…Eine Minute später trafen die Italiener zum Ausgleich. Kostmanns Center-Qualität nutzte Barthels zum erneuten Führungstreffer (81.min.). Wieder glichen die Azzurri aus und in der Nachspielzeit wuchtete Helmut Hergesell einen sagenhaften Schuss aus 30 Metern Entfernung ins Tor zum 3:2-Sieg der Hanseaten.

Es war Gerd Kostmanns Saison, diese Serie 68/69! Mit 18 Treffern zum zweiten Mal Torschützenkönig. Das schaffte vor ihm nur Bernd „Spieß“ Bauchspieß (dreimal) aus Leipzig. Torjäger in Reinkultur! Am 9. November 1968 schoss Kostmann beim 4:1 gegen Meister Jena mit drei Treffern (Alleingang, Strafstoß, Kopfball) die Thüringer quasi im Solo-Part aus dem Ostseestadion. Hansa, wiederum auf Meisterpfaden wandelnd, hing im Endspurt physisch derart durch, dass am Ende nur der vierte Platz heraussprang, Trainer Gläser gar vor dem letzten Spieltag entlassen wurde. Mit dem neuen Coach Horst Saß sollte alles besser werden…

In der Saison 69/70 wurde für Gerd Kostmann womöglich schon am 2. Spieltag gegen den FC Vorwärts Berlin (2:2, Tor durch Kostmann) dessen Laufbahnende eingeleitet. Ein Feldverweis zog ihn aus dem Verkehr. Der aufstrebende Jüngling Joachim Streich (da gerade 18 Jahre jung) machte den verdienstvollen Kostmann zum Reservisten. Am 12. Juni 1971, nach einem 0:1 gegen Union Berlin war „Goldköpfchens“ Karriere beim F.C. Hansa nur noch Geschichte. Aber: In 89 Punktspielen 43mal getroffen zu haben, also fast in jeder zweiten Partie, das gereichte ihm zur Ehre.

Ein Torjäger par excellence, im Hansa-Aufgebot der „guten“ 1960er-Jahre ein Fixpunkt mit Legendenformat: Heute wird „Goldköpfchen“ 75 Jahre alt. Der F.C. Hansa Rostock gratuliert mit viel Respekt.