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24.02.2017 09:00 Uhr

RÜCKPASS: HANSA-GESCHICHTE(n): Wunder mit Laib und Seele

Heute wird Bernd „Wunder“ Wunderlich 60. Das personifizierte Lauffeuer früherer Tage kennt nach wie vor keinen Stillstand.

Der Laib für den Leib! Es wird kolportiert, Bernd Wunderlich habe in den 1980er-Jahren in den Trainingslagern der DDR-Auswahl allabendlich allein ein ganzes Brot verputzt. „Das ist sicher übertrieben“, winkt „Wunder“ heute ab. Und selbst wenn es so gewesen wäre („Ich konnte schon sehr gut essen“), hätte es seine Berechtigung gehabt: „Ich habe schließlich auch schwer geschuftet!“ Das sei dem Mann an dieser Stelle – brotscheibchenweise – konzediert.

Konnte das denn angehen? In den Siebzigern keuchten im Training die alten Stralsunder Fußball-Heroen durch den Stadtwald und mittenmang raste ein Jungspund, Typ Spackhahn, wie von der Tarantel gestochen über das naturbelassene Wurzelwerk. Wo der Mann die Ausdauer hernahm ist bis heute noch ein Rätsel. Und ein Wunder sowieso. Rauschte „Wunder“ an seinen perplexen Gegenspielern vorbei, drohten die sich in der Zugluft zu erkälten. Leichtmatrose, Matrosenelf, Armee – und ab 1982 in die Beletage des DDR-Fußballs zum FC Vorwärts Frankfurt/O. „Da wollte ich gar nicht hin“, sagt „Wunder“. Doch Wollen und Armee waren zu Ostzeiten keine Allianz. Demzufolge: Vergatterung! Vier Jahre beim FCV! Das Komplettpaket: Vizemeisterschaft, Europacup, Reisen, Olympiaauswahl, Nationalmannschaft. Und Wunderlich fasst zusammen: „Eine geile Zeit“.  Als er 1986 mit der faserreinen norddeutschen Sturheit seine Rückkehr nach Stralsund vorantrieb, grätschten ihm tumbe Politbonzen in die Spur. Er durfte bei KKW Greifswald seine Laufbahn austrudeln lassen, diametral zu seinen unvergessenen Sprinteinlagen.

„Sie sind deinetwegen hier“, sprach ein Kamerad zu Wunderlich, als beim Training Anfang 1988 eine geheimnisvolle Abordnung aus Rostock aufkreuzte. Die stolze Hansa-Kogge, gerade in die DDR-Oberliga aufgestiegen, segelte schon wieder stramm ins Brackwasser der Zweitklassigkeit. Wunderlich mit der „Da geht noch was“-Mentalität sollte helfen. Der wollte nicht. Etwas anders formuliert beschieden ihm die Funktionäre: „Dann nehmen wir dir den Ball weg!“ Das Argument zog. Fortan bekam die Hansa-Crew mit ihren Klassefußballern (Jarohs, Schulz, Schlünz, Wahl, März…) noch einen Bootsmann, der die Brigade in seinem Sog mitriss. Hansas Klassenerhalt 1988 begründete eine Entwicklung, die schon ein Jahr später mit der sensationellen EC-Teilnahme (nach 20 Jahren) Konturen bekam. Wunderlichs Anteil daran war enorm. Zwei Jahre Hansa mit allen emotionalen Facetten in einem verschworenen Haufen. Und „Wunder“ fasst zusammen: „Eine geile Zeit!“

Bernd Wunderlich, der in Stralsund als städtischer Angestellter arbeitet, hat in 25 Jahren viele Vereine trainiert. Aktuell ist er in Waren aktiv. So lebt er nach wie vor mit Leib und Seele für den Fußball. Herzlichen Glückwunsch!