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13.02.2007 12:43 Uhr

Timo Lange und Perry Bräutigam: Der Stress auf der Bank ist groß!

Fragt man Hansa-Cheftrainer Frank Pagelsdorf nach seinen Co-Trainern, dann kommt die Antwort wie aus der Pistole: „Die Jungs machen einen tollen Job!“

Die „Jungs“, das sind Co-Trainer Timo Lange (39)  und Torwart-Trainer Perry Bräutigam. (43). Sie sind im Funktionsteam von Pagelsdorf die engsten Vertrauten, loyal, kompetent, emsig. Pagelsdorfs Klammer für beide: Timo und Perry waren noch Spieler unter „Pagel“. Alle drei haben bei Hansa einen Vertrag bis 2009 – was Kontinuität garantiert. Unter Pagelsdorf stieg der Abwehrspieler Timo Lange mit dem F.C. Hansa - übrigens gemeinsam mit dem heutigen Kapitän Stefan Beinlich - zum zweiten Mal nach 1990, also 1995 in die Bundesliga auf. Perry Bräutigam kam in jenem Jahr hinter Jens Kunath und Daniel Hoffmann an die Küste und war jahrelang Nummer 1 zwischen den Rostocker Pfosten. Während Timo Lange Mecklenburger ist und aus Grevesmühlen stammt, ist Perry Bräutigam gebürtiger Altenburger. Timo war von 1992 bis 2003 Hansa-Profi (165 BL-Spiele, 13 Tore), Perry von 1995 bis 2002 (104 BL-Spiele) Keeper beim FCH. Im Trainerzimmer baten wir die beiden Allstars des F.C. Hansa Rostock für die zum Doppelinterview.

 

Ihr habt beide unter Frank Pagelsdorf  gespielt. Hat sich der Trainer im letzten Jahrzehnt verändert?

Timo Lange: Der erste Unterschied für mich als Kollege ist: Man verbringt im Gegensatz zum Spieler wesentlich mehr Zeit miteinander. Man lernt sich so also über den Tag viel intensiver kennen. Aber: im Großen und Ganzen hat sich Frank vom Charakter nicht verändert. Er hat immer seine Linie, er bringt seine Forderungen an die Spieler deutlich rüber. Er hat seine eigenen Vorstellungen und er allein entscheidet, schließlich trägt er die Hauptverantwortung.

Perry Bräutigam: Als Spieler kam man Frank natürlich nicht so nah, wie jetzt als Trainer-Kollege. Auf dem Platz hat er nach wie vor feste Vorstellungen. Früher hat er noch oft mitgespielt im Training. Heute beobachtet er mehr. Insgesamt scheint er mir heute ruhiger.

 

Worin besteht das Geheimnis des Frank Pagelsdorf?

Timo Lange: Es ist die Ruhe und Gelassenheit, die er auch in schwersten Drucksituation ausstrahlt. Er nimmt wirklich den größten Druck auf sich weg, wird nie hektisch. Das ist imponierend.

Perry Bräutigam: Sein Mut, Nobodies aus unteren Spielklassen in sein System einzubauen. Er fördert nach wie vor junge Leute und scheut den Umbruch für seine Vorstellungen nicht. Schon 1995 kamen mit mir zehn neue Leute. Diesmal war es fast ähnlich.

 

Was ist leichter, unter Pagelsdorf zu spielen oder unter ihm die Truppe zu bewegen?

Timo Lange: Das Leben als Profi ist ein Auf und Ab. Ich war Stammspieler und Reservist, auch mal unter Frank. Damit muss man leben können. Man darf als Spieler fallen, aber man muss immer selbst aufstehen. Frank will seine Leute, die er holt, denen er vertraut, fighten und kämpfen sehen. Sie müssen sein Vertrauen einfach rechtfertigen. Dies verlangt er auch von uns als Trainer. Aber im Endeffekt ist es schon leichter, als Co-Trainer die Truppe zu bewegen.

Perry Bräutigam: Als Torwart musste ich mich 1995 immer strecken, um Stammtorwart zu werden und zu bleiben. Frank hat hohe Anforderungen. Man muss kämpfen, darf sich bei ihm als Spieler keine Blöße geben. Jetzt ist es eine angenehme Zusammenarbeit.

 

Worin hat die Mannschaft in den letzten 18 Monaten die größten Fortschritte gemacht?

Timo Lange: Erfolg und Misserfolg hängen im Wesentlichen von den wenigsten Gegentoren ab, die die Mannschaften in der Bundesliga bekommen. Perry und ich haben in Video-Kleinarbeit für Frank eine Fehleranalyse über 34 Spieltage gemacht. Danach haben wir drei den Hebel angesetzt und das Defensivverhalten in Theorie und Praxis verändert. Der Lohn: Nur elf Gegentore in 17 Spielen bis zur Rückrunde. Rekord! Wir stehen besser und geordneter hinten drin. Unser Kombinationsspiel aus der Abwehr ist besser geworden. Das taktische Verhalten der Mannschaft ist effektiver. Unser Teamgeist hat sich enorm verbessert. Unsere vielen Jokertore zeigen auch deutlich, dass der Zusammenhalt im Team stimmt. Jeder ist wichtig. Fußball ist kein Spiel mehr von elf Leuten, sondern von einem Kader mit 25 Mann. Jeder kriegt da irgendwann seine Hauptrolle. Die muss er ausfüllen, wenn er dran ist. Positiv ist auch zur 1. Halbserie zu sagen: Der konditionelle Zustand aller Spieler war bestens. Dies zeigten unsere Last-Minute-Tore wie gegen den KSC beim 4:4.

Perry Bräutigam: Die Geschlossenheit, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Truppe. Das war die letzten drei Jahre nicht immer so. Großen Anteil hat da auch Stefan Beinlich als Kapitän.

 

Wie sehen Sie die Entwicklung der Mannschaften in dieser Saison?

Timo Lange: Zehn Siege und 7 Remis nach der 1. Halbserie waren absolut positiv wie erfreulich. Die Gründe habe ich eben angerissen…

Perry Bräutigam: Wir hatten uns unter den besten acht am Saisonanfang gesehen. Wir sind deutlich besser und das stimmt mich hoffnungsfroh.

 

Wer steigt in diesem Jahr in die Bundesliga auf?

Timo Lange: Jene Mannschaften, die momentan unter den ersten sechs Teams sind. Wir waren bisher gut, aber wir haben noch viel Arbeit vor der Brust. Es ist besser, in kleinen Schritten zu denken. Im Selbstlauf wird nichts passieren.

Perry Bräutigam: Ich habe weder als Spieler noch als Trainer jemals Prognosen abgegeben.

 

War es früher leichter oder schwerer in der Bundesliga zu spielen?

Timo Lange: Bist du einmal oben raus, hast du es heute schwerer, wieder in die Bundesliga aufzurücken. Die Unterscheide zwischen den 36 Mannschaften der ersten und zweiten Liga sind kleiner geworden. Die Bundesliga mag technisch besser sein, die 2. Liga ist kämpferischer anspruchsvoller. Ein Aufsteiger ist heute nicht der erste Abstiegskandidat, ein Absteiger nicht sofort der erste Aufstiegskandidat.

Perry Bräutigam: Als ich 1995 zu Hansa kam, war die Bundesliga besser und für Torhüter war es schwerer in die Elf des Tages zu kommen. Heute ist das Torwartspiel komplexer und die beiden Bundesligen sind ausgeglichener als früher.

 

Ist der F.C. Hansa leicht zu trainieren?

Timo Lange: Sagen wir so: Wir haben eine junge Mannschaft, mit hungrigen Leuten, die sehen, dass sie eine große Chance vor der Brust haben. Wenn die Jungs dann auch noch Erfolg haben, geht alles lockerer, im Training und im Wettkampf. Ist der Kopf klar, sind die Beine leicht…

Perry Bräutigam: Wenn du oben in der Tabellen stehst wie wir z.B. 1. Halbserie, ist Spaß und Begeisterung bei allen groß. Erfolg heilt Schmerzen. Es gibt keine komplizierten Typen bei Hansa.

 

Haben Sie geglaubt, jemals mal Trainer in Rostock zu werden?

Timo Lange: Ja, 2003 wollte ich Trainer werden, habe noch eine Saison bei den Amateuren gespielt und wusste, Hansa will mich für die Nachwuchsabteilung. Ich machte meinen A-Schein. Dann ging plötzlich Amateurtrainer Stefan Böger weg und ich durfte ran, bin mit der Truppe gleich Meister und Pokalsieger geworden. Dass ich fast zehn Mann von denen heute wieder trainieren würde, hätte ich nie gedacht. Aber ich wusste schon, Sebastian, Bülow, Stein, Yelen, die können was!

Perry Bräutigam: 1995 musste ich mich als 32jähriger gegen die Mecklenburger Jens Kunath und Daniel Hoffmann im Tor durchsetzen. Bis 1997 habe ich nicht gedacht, mich an der Küste niederzulassen. Als ich meine B-Lizenz hatte, wollte ich schon in die Trainerbranche.

 

Was bedeutet Ihnen der F.C. Hansa, was bedeutet Ihnen die Stadt Rostock?

Timo Lange: Ich war von 1980 bis 1984, von der siebten bis zur zehnten Klasse als gebürtiger Grevesmühlener bei Hansa. Meine Eltern wohnen noch dort, ich habe mich bis auf einen Ausflug nach Brandenburg und Halle immer als Mecklenburger gefühlt. Ich habe ab 1992 nur noch für Hansa gespielt oder Hansa-Spieler trainiert. Hansa und Rostock sind ein Stück meines Lebens, mein Verein, mein zu Hause. Hier ist mein Lebensmittelpunkt.

Perry Bräutigam: Ich bin jetzt seit 1995 in Rostock. Was hier entstanden ist, ist sensationell, sowohl für Hansa als auch für die Stadt Rostock. Leider vergisst man oft zu schnell, wie es noch vor ein paar Jahren war.

 

Wie groß ist der Unterschied zwischen dem Training der Torhüter und der Feldspieler?

Timo Lange: Der Perry hat die drei Torhüter, die sind eine Gruppe für sich, die trainieren individueller. Die Feldspieler muss man alle erst einmal unter einen Hut kriegen. Aber auch hier sind wir schon zum Gruppentraining übergegangen. So hat sich ja auch unser Kraft- und Schnelligkeitstraining bis zu zwei Mal in der Woche auch als sehr positiv erwiesen. Auch in Zusammenarbeit mit den Leichtathletiktrainern haben wir uns in Kraft und Tempo verbessert. Diese Individualisierung schreitet sicher noch voran.

Perry Bräutigam: Spiele, Torschuss-Training und Kraftkreise machen die Torhüter mit der Mannschaft. Ansonsten trainieren wir individueller. Mentaltraining, Antrittsschnelligkeit, Sprungkraft machen wir parallel zu den Laufeinheiten der Feldspieler.

 

Haben Sie den Wunsch, selbst einmal Cheftrainer zu werden und welche Ausbildung haben Sie schon?

Timo Lange: Ich habe den A-Schein, hatte als Trainer eine dynamische Entwicklung. Jeder Tag ist für mich heute noch eine spannende Lehre. Ich bin froh, einen Mann wie Frank Pagelsdorf vor und an meiner Seite zu haben. Was in fünf oder zehn Jahren ist, darüber denke ich jetzt nicht nach.

Perry Bräutigam: Es gibt nicht viele Keeper als Cheftrainer. Ich bin in meinem Job glücklich, was in fünf Jahren ist, weiß ich nicht. Wichtig ist die Mannschaft.

 

Spielen Sie selbst noch gerne Fußball?

Timo Lange:  Das ist eher selten. Ehrlich, nach dem Training habe ich dazu keinen Elan mehr.

Perry Bräutigam: Absolut. Ich spiele zwar nicht im Oldie-Team von Hansa, weil ich ja noch immer einen Lizenzvertrag als Keeper für den Fall habe, es fallen unsere drei Jungs aus. Aber wenn wir im Training auf vier Tore spielen, bin ich dabei. Auch andere Spielformen mache ich gerne mit. Mit unseren Torhütern stehe ich sowieso jeden Tag im Wettbewerb.

 

Was spricht für den Aufstieg des F.C. Hansa in die Bundesliga?

Timo Lange: Unser momentaner Tabellenplatz…

Perry Bräutigam: Ich schaue von Spiel zu Spiel, bilde mir danach ein aktuelles Urteil und prüfe anschließend nur für mich als Eigenerkenntnis, ob es klappen könnte.

 

Was ist für Sie schwieriger: selbst auf dem Platz zu stehen oder auf der Trainerbank zu sitzen?

Timo Lange: Als Spieler hast du keine Zeit, dir große Gedanken im Spiel zu machen. Du hast eine Situation vor dir, die musst du lösen. Auf der Bank ist es nervenaufreibender, da sind die Emotionen größer, die Aufgaben schwieriger. Du grübelst und fachsimpelst, du suchst in Konfliktsituationen nach Lösungen und willst das Spiel verändern, der Mannschaft helfen.

Perry Bräutigam: Als Torwart habe ich im Spiel um mich alles vergessen und verdrängt, mein eigenes Leben gelebt. Ich habe mich nie ablenken lassen. Ich hatte Einfluss auf das Spiel und nach 90 Minuten ohne Gegentor wusste ich, was ich konnte. Auf der Trainerbank hast du keinen unmittelbaren Einfluss. Du erkennst eine Gefahr, aber du kannst nicht helfen. Manchmal, versucht man zwar emotional von draußen was zu machen, was die Mannschaft aufnehmen könnte. Aber die Wirkung ist geringer als wenn du selbst zwischen den Pfosten stehst. So hast du zwei unterschiedliche Stresssituationen zu bewältigen.