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06.10.2006 09:22 Uhr

Wir freuen uns auf die Weltmeister der Herzen

Am Samstag spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft als WM-Dritter und Weltmeister der Herzen in Rostock. Gast im Ostseestadion ist die von Klaus Toppmüller und Ralf Minge (Dresden) betreute Landesauswahl von Georgien. Damit ist der dreifache Weltmeister Deutschland mit seiner Nationalelf zum zweiten Mal nach der Wiedervereinigung an der Küste, in Rostock. Wir blicken deshalb noch einmal in die Geschichte des Rostocker Auswahl-Fußballs und seiner Nationalspieler vor und nach der Wende zurück.


Teil 3 - Hansa und die neuen Helden (nach der Wende)

 

Hansa! Für das Fachblatt „kicker“ ist der F.C. Hansa Rostock der „Kult-Klub des Ostens“. Im Juni 2004 haben die Reporter im Heft nach dem Geheimnis des Vereins gesucht. Die Bilanz damals: „Hansa ist nicht nur der letzte Vertreter aus der ehemaligen DDR im Oberhaus, sondern auch das Muster eines finanziell solide geführten Klubs!“
Tatsächlich: Im Gegensatz zu anderen Traditionsvereinen im Osten bestimmten fast nur Mecklenburger den Weg des Vereins. Selbstlos, uneigennützig, manchmal auch stur. Aber vor allem bis zum Abstieg im Jahre 2004/2005 lange sehr erfolgreich. 10 Jahre Bundesliga am Stück. Hansa – ein Stück Stolz!
Die neue Erfolgsgeschichte des Vereins ist eine Story neuer Helden an der Küste. Erst wurde auf die Karte Ost und Kontinuität gesetzt. Dann in Deutschland, Europa und in der ganzen Welt nach Spielern gesucht. So kamen viele als Nobodys und einige gingen als Stars. Aber immer blieb eine Mannschaft zurück, die die Qualität für die Bundesliga hatte. Auch ein Grund, stolz zu sein.        
Was niemand mehr so richtig auf dem Zettel hat: Als der DFB  im Länderspiel Nummer 571 am 19. Dezember 1990 zum „Vereinigungsspiel“ von DFB und DFV bat, befand sich im Team von Berti Vogts ein Mecklenburger im Team.
Das war der einstige Hansa-Spieler Thomas Doll. Aber im Team des Weltmeisters gab es insgesamt fünf Spieler aus den neuen Bundesländern. Sammer, Thom, Kirsten, Doll – und Bräutigam! Der Bräutigam? Ja, der Bräutigam!
Aus heutiger Sicht waren also immerhin sogar zwei Hansa-Akteure dabei!
Denn der Thüringer Perry Bräutigam, der damals gerade einen Fünfjahresvertrag beim FC Carl Zeiss Jena unterschrieben hatte, wechselte ja 1995 via Nürnberg zu Hansa.
Der Torhüter war ein Glückstreffer, wie es so viele Glückstreffer im Profifußball in zehn Jahren in Rostock gab.
Nun gut. Ein Carsten Jancker verschwand nach der Wende schnell nach Köln. Auch Henri Fuchs ging erst einmal dorthin. Thomas Doll war schon via Berlin beim HSV. Aber wer nach Rostock kam, fand oft auch sein Glück hier.
Wer wieder ging, nicht immer…
Fakt: Verteidiger Rene Schneider schaffte in der Ära Frank Pagelsdorf als erster „richtiger Hanseat“ den Weg zum „Bundes-Berti“.
Vogts nahm ihn 1996 sogar mit zur EM nach England – und ohne ein Spiel wurde Rene auch noch Europameister.
Stefan Beinlich unterdessen gelang der Sprung ins deutsche Trikot erst als Profi bei Bayer Leverkusen. In den Blickpunkt hatte er sich aber längst in Rostock gespielt.
Marko Rehmer, der vom Drittligisten 1. FC Union kam und Oliver Neuville, der aus Teneriffa einflog, schafften den Sprung ins Nationalteam in der Ära Ewald Lienen.
Auch Spieler mit einem ausländischen Pass wie Sergej Barbarez für Bosnien oder Victor Agali für Nigeria wurden im Hansa-Trikot Stars und Nationalspieler ihres Landes. Andere wie die Schweden Marcus Lantz und Andreas Jakobsson feierten ihre Rückkehr ins Team ihrer Länder. Die Ägypter Yasser und Emara wurden sogar Afrika-Meister.
Paul Caliguri, der Amerikaner, der als erster Ausländer zum F.C. Hansa kam und nach nur einem halben Jahr Meister, Pokalsieger und Aufsteiger in Rostock war, brachte es später sogar zum WM-Teilnehmer.
Aber mancher wurde auch ohne Nationaltrikot glücklich, erfolgreich und beliebt. Für diese Kategorie stehen Steffen Baumgart, Martin Pieckenhagen, Jonathan Akpoborie, Slawomir Chalaskiewicz, Stefan Studer, Mathias Schober, René Rydlewicz oder auch Martin Max. Hansas erster Profi, der als deutscher Nationalspieler kam und als Rekordtorschütze aufhörte.
Mittlerweile spielt der F.C. Hansa Rostock im zweiten Jahr am Stück in der 2. Bundesliga. In seinen Reihen hat der Klub heute immerhin drei Spieler, die auf Länderspiele verweisen können: Kapitän Stefan Beinlich (von 1998 bis 2000 - 5 Länderspiele), Michael Hartmann (2003 - 4 Länderspiele), der zum Mannschaftsrat gehört sowie Christian Rahn (2002 bis 2004 – 5 Länderspiele), der als letzter Neuzugang an die Küste kamen.
Was nur eines zeigt: Rostock ist noch immer ein Fußball-Magnet und eine gute Ausbildungsstätte für Fußball-Talente.
Worauf Hansa besonders stolz ist: Mit Toni Kroos wechselte erst im Sommer „das größte Talent des deutschen Fußballs“ (Uli Hoeneß) von der Ostsee nach Bayern. Auch dies spricht für die tolle Ausbildung der Trainer und Übungsleiter an der Ostsee. Und in den Startlöchern zu neuen Taten sitzen schon neue Junge, die man sich merken sollte: Buschke, Felix Kroos, Albert, Jänicke, Person, Pittwehn, Prautzsch, Brüggmann, Müller, Georg, Weilandt, Grupe…

 

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Teil 2

 

Hansa und die Länderspiele 

 

Die Geschichte der Hansa-Helden vor der Wende ist eigentlich vor allem eine Geschichte der DDR-Nationalspieler aus Rostock.
Der SC Empor bzw. später der F.C. Hansa stellte von den 273 DDR-Auswahl-Spielern, die das Nationaltrikot der A-Mannschaft trugen, 21 Aktive.
Für viele waren solche Nominierungen leider nur kleine Episoden. Denn mit Joachim Streich, Gerd Kische, Thomas Doll, Herbert Pankau  und Klaus-Dieter Seehaus kamen nur fünf Hanseaten über 10 Länderspiele. Die anderen kamen wie Jürgen Heinsch auf sieben oder noch weniger Begegnungen.
So waren viele Rostocker zwar landesweit bekannt, aber oft vor allem eher regionale Helden wie Kurt Zapf, Wolfgang Barthels, Rainer Jarohs, Dieter Schneider, Werner Drews, Heino Kleiminger oder Heiko März.
Oder es gab Spieler, die zwar viele Lehrgänge und Spiele der Junioren- und Nachwuchs- oder Olympiaauswahlmannschaften besuchten, aber es nicht zu einem A-Länderspiel brachten. In diese Kategorie gehören vor allem Peter Sykora und Klaus-Peter Stein, die mit der DDR 1965 sensationell ein UEFA-Junioren-Turnier in der BRD gewannen. Oder Gerd Kostmann, der zweimal DDR-Torschützenkönig wurde und Juri Schlünz, der seit seinem 6. Lebensjahr für Hansa spielte und heute noch Idol der Fans ist.
Nach der Wende schaffte auch ein Thomas Doll den Sprung von der DDR- in die deutsche Nationalmannschaft und wurde in Schweden 1992 Vize-Europameister. 1996 wurde Rene Schneider kurz nach seinem Wechsel von Rostock nach Dortmund Europameister. 2002 kam mit dem einstigen Hanseaten Carsten Jancker ein „Rostocker Jung“ von Hansa auf den zweiten WM-Platz. Spieler wie Oliver Neuville und Marko Rehmer, die auch bei Hansa groß wurden, gehörten damals ebenfalls jener Mannschaft an, die in Japan und Südkorea die Silbermedaille gewann. Dem heutigen Rostocker Kapitän Stefan Beinlich blieb dies als deutscher Nationalspieler versagt, er wurde nie für ein WM- oder EM-Turnier nominiert.


Die Rostocker DDR-Nationalspieler

Barthels Wolfgang               1963/1964                     2/2 (Spiele/Tore)
Bialas Arthur                       1961                               1/0
Doll Thomas                        1986/1990                    29/7
für Hansa davon                                                       1  
Drews Werner                      1961/1962                    2/0
Haack Lothar                       1961                             1/0
Heinsch Jürgen                    1963/1965                     7
Jarohs Rainer                       1982                             3/1
Kische Gerd                         1971/1980                    63
Kleiminger Heino                  1963/1964                    4/5
März Heiko                           1990                            1/0
Pankau Herbert                     1962/1967                   25/4
Schaller Gerhard                   1955/1956                   5/0
Schneider Dieter                   1969/1973                   3/0
Schulz Axel                          1984/1985                   3/0
Seehaus Klaus-Dieter            1963/1969                   10/0
Speth Hans                          1952/1958                   2/0
für Hansa   davon                                                     1
Streich Joachim                    1969/1984                   102/55
für Hansa  davon                                                       43/22
Uteß Jürgen                         1982                             1/0
Wahl Jens                            1989                             1/0
Weilandt Hilmar                    1990                             2/0
Zapf Kurt                             1957/1958                    4/0

 

 

 

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Teil 1 

 

Bevor der Oberliga-Fußball im Ostseestadion rollte, hatte dort schon das erste  Fußball-Länderspiel stattgefunden. Es war erst der fünfte internationale Vergleich einer DDR-Fußball-Nationalmannschaft.
26. September 1954 in Rostock:  Die Begegnung lautete DDR – Polen. 30.000 erwartungsfrohe Zuschauer hatten im dritten Heimspiel der DDR auf den ersten Heimerfolg gehofft. Aber die Polen führten schon nach 22. Minuten durch Cieslik und hielten diesen Vorsprung bis zum Spielende.

Für den DHfK-Fußballer Horst Spickenagel begann eine achtjährige Karriere als Nationaltorwart und auch der eisenharte Jenaer Verteidiger Georg Buschner, der der erfolgreichste Auswahltrainer des Landes werden sollte, schnürte in Rostock erstmals die Schuhe für ein Länderspiel.
Das war die Start-Elf, die die DDR vertrat: Spickenagel (DHFK Leipzig), Buschner (Motor Jena), Bauer (Wismut Karl-Marx-Stadt), Schöne (Babelsberg), Nordhaus (Erfurt), Jochen Müller (Erfurt), Meinhold (Zwickau), Schröter (Dynamo Berlin), Kaiser (Zwickau), Schniecke (Jena), Matzen (Dynamo Berlin). Eingewechselt wurden außerdem der spätere DFV-Präsident Günther Schneider und Lothar Meyer (Berlin-Oberschöneweide).

Danach folgten noch sieben weitere Spiele von DDR-Nationalmannschaften, die weit erfolgreicher waren. Denn die DDR verlor nie mehr ein Spiel in Rostock, stattdessen gab es 4 Siege und 3 Remis!

Wobei Rostock nie der Mittelpunkt der Nationalelf war. Denn das Leipziger Zentralstadion mit einer Kapazität von 100.000 Zuschauern oder das Stadion der Weltjugend in Berlin mit 60.000 Zuschauern galten damals als geeigneter. Immerhin, in Vorbereitung auf die Fußball-WM 1974 in Deutschland, die die DDR mit den Rostockern Gerd Kische und Joachim Streich mit einem inoffiziellen 6. Platz abschloss, gelang der DDR-Auswahl ein 1:0 gegen Norwegen. Torschütze: Jürgen Sparwasser, der Mann also, der nur Wochen später sein legendäres Tor bei der WM schoss.

Auch der deutsche Teamchef Rudi Völler wählte dann nach der Wende einmal Rostock als Spielort. Das war am 27. März 2002  gegen die  USA (4:2) – wieder vor 30.000 Zuschauern!
Es war diesmal ein Spiel in Vorbereitung auf die WM in Südkorea und Japan, die mit der Vize-Weltmeisterschaft des Teamchefs und seiner Truppe endete.
Mit Rostock verschwand so im Fußball-Osten ein weißer Fleck von der Länderspiel-Landkarte.
Denn erst zum zweiten Mal seit dem Mauerfall 1989 gastierte die deutsche Nationalmannschaft in den neuen Bundesländern - nach einer Pause von fast zehn Jahren!
Am 14. Oktober 1992 trat damals die DFB-Auswahl in Dresden gegen Mexiko (1:1) das erste und einzige Mal zu einem Spiel in den neuen Bundesländern an. Danach blieb den Fans zwischen Rügen und Thüringer Wald immer nur die TV-Perspektive.

Immerhin sieben Spieler aus dem DFB-Aufgebot Völlers hatten das Fußball-ABC noch in Ostklubs gelernt. So Rost (Leipzig), Böhme (Jena), Heinrich (Velten), Jeremies (Dresden), Schneider (Jena). Die einstigen Hansa-Spieler Marko Rehmer und Carsten Jancker fehlten – wie auch Michael Ballack (Chemnitz) - nur auf Grund von Verletzungen.
Mit Oliver Neuville kam dann ein einstiger Publikums-Liebling der Hansa-Fans ins Ostseestadion zurück. Der hatte sich hier an der Küste ja auch schon ins Notizbuch der DFB-Trainer gespielt.
“Wir sind froh, in Rostock zu gewesen zu sein”, betonte später auch DFB-Teamchef Rudi Völler, der noch 1992 in Dresden selbst sein offizielles Abschiedsspiel im Osten bestritt.
Zwei Jahre zuvor war ein Wiedervereinigungs-Spiel Deutschland West gegen Ost aufgrund der Rahmenbedingungen noch nicht möglich.
„Es war keine Entscheidung des DFB, keine Länderspiele in den Osten zu geben, weil man nicht wollte, sondern weil es an den Stadien gefehlt hatte”, erklärte Hans-Georg Moldenhauer als Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes seinerzeit. Aber dieses Argument hatte sich mit dem neuen Ostseestadion erledigt.

 

Die Spiele der damaligen DDR-Fußballnationalelf in Rostock

26. September 1954                Polen 0:1                        30.000 Zuschauer
29. Juni 1958                           Polen 1:1                        20.000 Zuschauer
30. Oktober 1960                    Finnland 5:1                   30.000 Zuschauer
9. Juli 1969                              Ägypten 7:0                     8.000 Zuschauer
6. September  1970                 Polen 5:0                        15.000 Zuschauer
31. Mai 1972                            Uruguay 0:0                    15.000 Zuschauer
23. Mai 1974                            Norwegen 1:0                  15.000 Zuschauer
5. Mai 1980                              Sowjetunion 2:2              20.000 Zuschauer

Die deutsche Nationalelf in Rostock

27. März 2002                         USA 4:2                          30.000 Zuschauer

Deutschland spielte mit: Rost (Butt), Baumann, Ramelow, Linke, Schneider (Asamoah), Hamann, Frings (1), Jeremies (Heinrich), Ziege (1) (Böhme), Neuville (1) (Brdaric), Bierhoff (1).