23.06.2006 08:37 Uhr
Wer nennt die Titel, kennt die Namen der Männer, die bislang dem F.C. Hansa Rostock und dessen Vorgänger SC Empor vorstanden? Wir haben es recherchiert. Der Fußballverein von der Ostsee wurde seit 1954, als Rudi Reichmann das Amt des Sektorenleiters Fußball des SC Empor übernahm, von 13 Personen geführt.
Am 1. Juli 2006 beginnt nun eine neue Zeitrechnung in Rostock. Mit Dirk Grabow (35) tritt der jüngste Chef des Fußballklubs ans Ruder der Kogge.
Für Hansa-Online gab der einstige Hansa-Torwart und Diplom-Wirtschaftsingenieur, dessen Vertrag vorerst bis 2007 datiert ist, sein erstes großes Interview zu seiner neuen Aufgabe.
Herr Grabow, Sie sind ein Kind des Vereins. Was bedeutet Ihnen der F.C. Hansa Rostock eigentlich?
Dirk Grabow: Hansa ist ganz klar ein Stück meines Lebens. Ich bin mit sieben Jahren als Spieler in den Verein gekommen, habe hier 12 Jahre gespielt und arbeite seit neun Jahren für den Klub. So etwas schafft schon Nähe und Emotionen. 21 Jahre sind schließlich mehr als die Hälfte meines Lebens…
Erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem Sie das erste Mal in Ihrem Leben das Ostseestadion betreten haben?
Dirk Grabow: Ich glaube, eines der ersten Spiele war ein Oberliga-Begegnung gegen den BFC Dynamo. Ich war sehr jung und kann mich nur noch erinnern, dass es im Stadion sehr laut war.
Wie groß sind denn nun die Schuhe, die Sie am 1. Juli 2006 von Ihrem Vorgänger Manfred Wimmer übernehmen?
Dirk Grabow: Diese Schuhe sind sicherlich sehr groß. Manfred Wimmer hat den Verein sein ganzes Leben lang in den verschiedensten Funktionen begleitet. Es gibt kaum einen Menschen, der den F.C. Hansa so gut kennt. Er ist seit 1982 Mitglied unseres Vereins, war im Nachwuchsbereich tätig, stellvertretender Klubvorsitzender, Schatzmeister und seit 2001 Vorstandsvorsitzender. Manfred Wimmer hat den F.C. Hansa also in einem wesentlichen Maß mitgestaltet. Dafür verdient er Dank und Anerkennung. Ich hoffe dennoch, dass ich in die Schuhe schnell hineinwachse. Denn eigentlich haben wir ja auch gar keine Zeit, lange darüber nachzudenken.
Manfred Wimmer hat Sie schon 2001 zum Leiter der Abteilung Finanzen im Verein gemacht. Ist diese Situation mit jener von damals vergleichbar?
Dirk Grabow: Als ich vor fünf Jahren das erste Mal mit siebenstelligen Beträgen zu tun hatte, schlug mein Herz schon höher. Bisher ging es um Planungen und um Finanzierungen. Jetzt aber geht es um die Gesamtverantwortung für den Verein. Und das ist wohl auch der große Unterschied. Die Verantwortung ist einfach sehr viel größer als damals.
Der Aufsichtsratschef des F.C. Hansa Prof. Dr. Klinkmann sprach davon, es hätte schon großer Überredungskünste bedurft, damit Sie dem Verein als Vorstandsvorsitzender Ihr Ja-Wort gegeben haben…
Dirk Grabow: Ja, ich war erst einmal überrascht, dass man für diese Funktion an mich gedacht hat. Da musste ich erstmal durchatmen. Aber es war natürlich auch ein großer Vertrauensbeweis…
Wie lange brauchten Sie denn, um Ja zu sagen?
Dirk Grabow: Am Ende nahm ich mir drei Tage Zeit für die Entscheidung.
Was hat denn Ihre Freundin gesagt, als Sie sich für das Amt des Vorstandsvorsitzenden entschieden haben?
Dirk Grabow: Natürlich habe ich mit meiner Lebensgefährtin darüber gesprochen. Wir haben uns dann beide für den Verein und diese sicherlich nicht einfache Aufgabe entschieden. Es ist ja auch eine große Herausforderung.
Wer sind denn für Sie in der neuen Tätigkeit die wichtigsten Verbündeten?
Dirk Grabow: Alle, denen Hansa am Herzen liegt. Das beginnt beim Aufsichtsrat, bei meinen Kollegen, das betrifft die Menschen in Stadt und Land, unsere Sponsoren und nicht zuletzt unsere Fans.
Was schreiben Sie sich in Ihrer Arbeit jetzt als Maxime auf Ihre Fahne?
Dirk Grabow: Mein Traum ist es, den Verein wieder dorthin zu bringen, wo er schon einmal war…
Sie waren von 1978 bis 1990 Torwart des F.C. Hansa. Mit wem haben Sie damals zusammen gespielt?
Dirk Grabow: Gesichtet wurde ich zunächst vom damaligen Hansa-Trainer Helmut Schühler. Danach habe ich in einem Jahrgang mit den späteren Profis Thomas Gansauge und Henri Fuchs gespielt. Auch an den ein Jahr jüngeren Torwart Daniel Hoffmann kann ich mich neben vielen anderen gut erinnern.
Spielen Sie heute selbst noch gerne Fußball?
Dirk Grabow: Ja, natürlich nur Freizeitfußball. In den letzten Jahren habe ich unter anderem auch regelmäßig am Sponsoren-Cup unseres Vereins teilgenommen. Aber mein Job lässt dies zeitlich wohl jetzt kaum noch zu.
Welche Auffassung haben Sie vom Fußball?
Dirk Grabow: Ein bestimmtes Spielsystem steht für mich eigentlich nicht im Vordergrund. Ich möchte, dass wir erfolgreichen Fußball spielen. Das Ziel für Hansa kann deshalb ja auch nur sein, zu den sieben, acht Mannschaften in der 2. Bundesliga zu gehören, die mit um den Aufstieg spielen werden!
Seit fünf Jahren sind Sie beim F.C. Hansa der Mann für die Lizenz des Vereins. Wie gesund ist der Verein?
Dirk Grabow: Wir haben für die nächste Saison unsere Lizenz von der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH mit einem Etat von ca. 14 Mio. EUR ohne Bedingungen bekommen. Die finanzielle Lage des Vereins ist durchaus stabil, aber für große Sprünge auf dem Transfermarkt reicht es nicht.
Mit Ihnen beginnt Stefan Studer als neuer Lizenzchef beim F.C. Hansa. Wie gut kennen Sie sich?
Dirk Grabow: Ich kam Ende 1997 als Mitarbeiter in den Verein, Stefan ging als Profi 1998. Da waren die Berührungspunkte sehr gering. Aber er war ja oft bei uns im Stadion, da haben wir uns schon mal getroffen. In den letzten Wochen haben wir uns aber bereits mehrmals unterhalten, die groben Richtlinien unserer Arbeit abgestimmt. Stefan Studer ist ein sympathischer, umgänglicher und konstruktiver Typ.
Wie ist Ihr Draht zu Cheftrainer Frank Pagelsdorf?
Dirk Grabow: Wir haben schon das letzte Jahr auf einer Etage gearbeitet. Aber prinzipiell wird in Zukunft Stefan Studer als Leiter der Lizenzspieler-Abteilung den engen Kontakt zum Trainer und den Profis halten.
Ihre Vorgänger Manfred Wimmer und Herbert Maronn waren über Jahre ein eingespieltes Team. Wie werden Sie jetzt Ihre Aufgaben verteilen?
Dirk Grabow: Stefan Studer ist für den sportlichen Bereich verantwortlich. Ich trage die Gesamtverantwortung. Aber ich glaube, wir sind beide auch Teamspieler.
Herr Grabow, nennen Sie uns bitte ein Argument, warum man in der neuen Saison unbedingt ins Ostseestadion kommen und dem Verein die Daumen drücken sollte?
Dirk Grabow: Ich erwarte in dieser Saison eine Hansa-Mannschaft, die mit großer Leidenschaft Fußball spielt und Werbung für sich selbst und damit auch für den ganzen Verein macht. Spüren die Menschen im Lande diese Leistungsbereitschaft und Begeisterung, dann ist auch schnell die Identifikation der Fans mit der Mannschaft und dem Verein da. Ich denke, unseren neuen Spieler werden da einen frischen Wind in die Mannschaft bringen. Die Jungs müssen in jedem Fall das Vertrauen zurückgeben, was sie jetzt bekommen.
Hansa ist in letzten Umfragen vor dem Saisonende immer noch der beliebteste Verein der neuen Bundesländer und unter den 15 populärsten Vereinen Deutschlands gewesen. Was werden Sie dafür tun, dass dies so bleibt?
Dirk Grabow: Wir wissen schon, dass Hansa nicht nur ein Rostocker Verein ist, sondern Fans in allen neuen Bundesländern und in ganz Deutschland hat. Diese Menschen wollen wir nicht noch einmal so enttäuschen wie im abgelaufenen Spieljahr. Dazu sind jedoch enorme Anstrengungen und wie bereits erwähnt die absolute Leistungsbereitschaft der Mannschaft und aller Mitarbeiter im Verein erforderlich.
Mit welchen Gedanken gehen Sie in die neue Saison? Was erwarten Sie von den Profis?
Dirk Grabow: Wer das Trikot des F.C. Hansa trägt, von dem erwarte ich volle Identifikation mit dem Verein. Ich erwarte von ihm den unbedingten Willen zum Erfolg, um unsere sportlichen Ziele zu erreichen. Das sind wir unserem Umfeld, der Region und dem Land schuldig. In der Praxis bedeutet dies für jeden Spieler, 24 Stunden am Tag Verantwortung zu übernehmen.
Was machen Sie, wenn Sie einmal vom Fußball abschalten?
Dirk Grabow: Bisher konnte ich das im Kreis meiner Familie. Ich hoffe, ich kann das auch in Zukunft.
Die Amateur-Abteilung des Vereins war in den letzten zwei Jahren so gut wie nie zuvor. Wie beurteilen Sie die Anstrengungen, die im Nachwuchsbereich geleistet wurden?
Dirk Grabow: Ganz klar, unsere Nachwuchsabteilung ist unser Kapital, eine Investition in die Zukunft. So bitter die Saison 2005/2006 gelaufen ist, unsere Nachwuchsarbeit der letzten Jahre war so erfolgreich wie nie. Eine ganze Reihe von Jugendspielern steht im Focus der DFB-Trainer. Viele Talente verstärkten in den letzten drei Jahren aus der zweiten Mannschaft bzw. aus dem Internat unsere Profis. Die Amateure wurden 4. in der Oberliga, verteidigten den Landespokal und spielen damit wieder im DFB-Pokal. Die U16 war 2005 Deutscher Vizemeister. Sie ist in diesem Jahr wieder ins Viertelfinale gekommen und dort erst am späteren Finalisten Dortmund gescheitert. Dies sind Erfolge, die Mut für die Zukunft machen. Es sind Investitionen, die sich langsam auszahlen und jene Lügen strafen, die lange Zeit unsere Jugendarbeit kritisiert oder belächelt haben.
Kurz vor Ihrem Amtsantritt ist die Fan-Abteilung neu aufgestellt worden. Was versprechen Sie sich von dieser Maßnahme?
Dirk Grabow: Wir brauchen ein positives Bild unserer Fans in der Öffentlichkeit. Dafür hat noch der alte Vorstand Zeichen gesetzt. Das wollen wir mit unserer Fanarbeit erreichen, deshalb wird der intensive Austausch mit unseren Fans natürlich auch bei uns ganz oben stehen.
Wie beurteilen Sie insgesamt das Bild des F.C. Hansa Rostock heute in der Öffentlichkeit?
Dirk Grabow: Man merkt es immer wieder, dass Hansa einen guten Namen in Deutschland hat. Unsere sportlichen Auftritte in den letzten Monaten müssen deshalb schnell mit besseren Leistungen vergessen gemacht werden. Aber auch Auftritte einiger unserer Fans wie in Stendal dürfen sich einfach nicht wiederholen. Sie schaden dem Ansehen unseres Vereins und fallen immer wieder auf uns zurück. Wie jüngst im Falle der Flitzer, werden wir deshalb auch in Zukunft konsequent jene zur Verantwortung ziehen, die unserem Verein Schaden zufügen.
Apropos Flitzer. Der Verein und die Rostocker Gerichte haben da ja sogar zur WM Richtlinien vorgegeben…
Dirk Grabow: Richtig. Unsere Rechtsauffassung wurde tatsächlich bestätigt und der DFB und die DFL sowie das deutsche OK der WM 2006 haben diese Entscheidungen sehr aufmerksam verfolgt und als Warnung an die Fans weitergegeben.
Am 7. Oktober 2006 findet ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Georgien statt. Wie wichtig ist diese Veranstaltung des DFB für den F.C. Hansa?
Dirk Grabow: Wir sind sehr froh und auch ein wenig stolz, dass wir den Zuschlag für dieses Spiel bekommen haben. In diesem Zusammenhang bedanken wir uns beim DFB ebenso wie bei Dr. Hans-Georg Moldenhauer vom NOFV und bei Joachim Masuch als Präsident des LFV Mecklenburg-Vorpommern.
Wir freuen uns auf dieses Länderspiel, schließlich fand hier in Rostock schon zur Einweihung des (alten) Ostseestadions in den fünfziger Jahren die Begegnung gegen Polen statt, es folgten danach noch sieben Länderspiele zu DDR-Zeiten. Im neuen Ostseestadion gab es hier das nicht unkomplizierte Spiel gegen die USA. Wir müssen also schon ein guter Gastgeber gewesen sein und das wollen wir auch im Herbst wieder sein.
Momentan läuft die Fußball-WM, wie nehmen Sie diese wahr?
Dirk Grabow: Also die 15-Uhr-Spiele schaffe ich in der Woche natürlich nicht. Aber ansonsten versuche ich schon so viele Spiele wie möglich zu sehen. Argentinien gegen Elfenbeinküste habe ich vor Ort in Hamburg erleben können.
Danke für diese offenen Worte und alles Gute für Ihre neue Aufgabe.
Dirk Grabow im Kurzportrait
Dirk Grabow wird zum 1. Juli 2006 zum Vorstandsvorsitzenden des F.C. Hansa bestellt und tritt damit die Nachfolge von Manfred Wimmer an. Sein Vertrag läuft in dieser Funktion bis 2007. Dirk Grabow wurde am 22. Februar 1971 in Rostock geboren. Er ist ledig, lebt mit seiner Lebensgefährtin Birte (35) zusammen und hat eine Tochter (Lale, 1 1/2). Er besuchte von 1977 bis 1985 die POS in Rostock und von 1985 bis 1990 die KJS in Rostock, die er mit dem Abitur beendete. Von 1990 bis 1996 studierte Dirk Grabow Wirtschaftsingenieurwesen in seiner Geburtsstadt und machte sein Diplom. Von 1996 bis 1997 machte er seinen Zivildienst. Von 1997 bis 2000 arbeitete Dirk Grabow für die F.C. Hansa Fanservice GmbH (Merchandising), seit 2001 war er Finanzleiter und seither auch für das Lizenzierungsverfahren des Vereins mitverantwortlich.
Alle bisherigen Präsidenten des F.C. Hansa seit 1954
1954 bis 1965 Rudi Reichmann, Sektorenleiter Fußball des SC Empor
1965 bis 1967 Heinz Neukirchen, Vorsitzender des F.C. Hansa
1967 bis 1973 Ernst-Moritz Pahnke, Vorsitzender des F.C. Hansa
1974 Jochen Timmermann, Vorsitzender des F.C. Hansa
1975 bis 1977 Rudi Alms, Vorsitzender des F.C. Hansa
1977 bis 1986 Ulli Stoll, Vorsitzender des F.C. Hansa
1986 bis 1991 Robert Pischke, Präsident des F.C. Hansa Rostock e.V.
1991 Wolfgang Zöllick, Präsident des F.C. Hansa Rostock e.V.
1991 bis 1993 Gerd Kische, Präsident des F.C. Hansa Rostock e.V.
1993 bis 1994 Gernot Böttrich, Präsident des F.C. Hansa Rostock e.V.
1994 bis 1997 Dr. Peter-Michael Diestel, Präsident des F.C. Hansa Rostock e.V.
1997 bis 2001 Eckhardt Rehberg, Vorstandsvorsitzender des F.C. Hansa Rostock e.V.
seit 1. Juni 2001 Manfred Wimmer, Vorstandsvorsitzender des F.C. Hansa Rostock e.V.
ab 1. Juli 2006 Dirk Grabow, Vorstandsvorsitzender des F.C. Hansa Rostock e.V.