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08.09.2011 11:36 Uhr

Eintracht Braunschweig – noch stärker als in Liga 3!?

Der F.C. Hansa Rostock und die Eintracht aus Braunschweig stehen beide auf einem Relegationsplatz. Trotzdem trennen die zwei Aufsteiger 13 Tabellenränge. Die Braunschweiger haben es mit einem sehenswerten Start in die aktuelle Zweitliga-Saison geschafft den derzeitigen Rang drei der Tabelle zu erobern. Alles nur Zufall, ein spontaner Höhenflug oder das tatsächliche Leistungsvermögen des Aufsteigers? Eine Gegneranalyse soll  einen Einblick geben, ob das gute Abschneiden nur eine Momentaufnahme oder ein andauernder Zustand ist.

Gemäßigtes Transferkarussell und die Konstante auf der Bank

Klammheimlich hat sich die Braunschweiger Eintracht zu einem gefestigten Team mit dem Potenzial jeden Gegner der Liga schlagen zu können, gemausert. In der Sommerpause verließen lediglich fünf Spieler den Verein, darunter, mit Karim Bellarabi (21), nur ein wirklicher Leistungsträger, der in der souveränen Aufstiegssaison maßgeblich am Erfolg der „Löwen“ beteiligt war. Auf umgekehrtem Wege fanden sieben Kicker zum Verein, allesamt ablösefrei, keiner über 25. Das Erfolgsgeheimnis der Braunschweiger sind ihre Geschlossenheit, ein eingespieltes Kollektiv und das hohe Vertrauen, dass nach langem Auf und Ab Trainer und Mannschaft entgegengebracht und mit der „Währung Erfolg“ zurückgezahlt wurde. 13500 verkaufte Dauerkarten sprechen eine deutliche Sprache. Dem BTSV geht es so gut wie lange nicht mehr!

Trainer Torsten Lieberknecht, seit Mai 2008 im Amt, kann eine Mannschaft nach seinem Bilde formen und das mit sachlich-analytischer Ruhe, den nötigen Emotionen und einer mächtigen Portion Ehrgeiz gewürzt mit Erfolgshunger. Zuvor „verschlissen“ die Braunschweiger zwischen Ende 2002 und Mitte 2008 (im Übrigen nach der Zeit unter Peter Vollmann) sieben Trainer.
Doch seit gut drei Jahren herrschen Besonnenheit und „Eintracht“ in Braunschweig.

Das System - Bollwerk und Flexibilität

Der gebürtige Bad Dürkheimer Lieberknecht kann bislang, wie auch in der Vorsaison (lediglich 22 Gegentore), auf eine gefestigte Defensive setzen. Auch wenn Abwehrchef und Routinier Deniz Dogan (31) noch immer an den Folgen eines Wadenbeinbruches laboriert und in dieser Spielzeit noch nicht zum Einsatz kam, kann sich der Coach der Eintracht auf seine Jungs verlassen. Neben den Außenverteidigern Benjamin Kessel (23) und Ken Reichel (24) vertraut Trainer Lieberknecht bisweilen auf das Innenverteidiger-Duo Matthias Henn (26) und Neuzugang Marcel Correia (22) aus Portugal. Bisher ließen die Braunschweiger sechs Gegentreffer zu, drei davon jedoch beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am 3.Spieltag - der bis heute einzigen Liga-Pleite.
In Lieberknechts 4-1-4-1-System bildet der 24-jährige Norman Theuerkauf den defensiven Abräumer vor der Abwehr. Lediglich nach der Niederlage gegen Frankfurt stellte der Fußballlehrer auf ein 4-2-3-1 mit Marc Pfitzner (27) und Damir Vrancic (25) als die beiden defensiven Mittelfeldspieler um. Mit Erfolg, denn das Auswärtsduell beim Karslruher SC wurde prompt mit 3:1 gewonnen. Überhaupt gibt sich Lieberknecht als Freund der Rotation, im Interview mit fc-hansa.de, verriet er, dass je nach Spielweise und Taktik des Gegners eine Mannschaft auf den Platz geschickt wird. Sprich, auch gegen Hansa sind Neuerungen möglich und kein Spieler kann sich sicher sein, nur auf der Bank zu sitzen oder auf dem Platz zu stehen. Flexibilität als Plus und Luxus zu gleich, denn mit Ausnahme des Frankfurt-Spiels, konnte sich bisher jeder Akteur erfolgreich in das Mannschaftsgefüge einbringen ohne einen Qualitätsverlust herbeizuführen.
Das gleiche gilt auch für Torhüter Daniel Davari (23), der den angestammten Schlussmann Marjan Petkovic ersetzt hat, da sich dieser nach Spieltag drei einen Muskelfaserriss zuzog.

Garanten und „Granaten“ in der Offensive

Allen voran steht Kapitän Dennis Kruppke für den Erfolg der Blau-Gelben, ist er doch der unangefochtene Spielführer und –gestalter auf dem Rasen. In der Aufstiegssaison war der Offensiv-Allrounder mit 16 Treffern und elf Vorlagen einer der stärksten Spieler der Liga und auch in dieser Spielzeit konnte er bereits viermal einnetzen.  Mit starker Übersicht, klasse Standards und großem Kämpferherz reißt Kruppke seine Mitspieler stets mit und ist so eine absolute Schlüsselfigur und Führungspersönlichkeit im „Hause Braunschweig“.
Neben dem Kapitän ist Mirko Boland ein weiterer Garant für die Offensivstärke der Niedersachsen. Zwar entwickelte Boland in der letzten Saison mit drei Treffern nicht so sehr eigene Abschlussqualitäten, doch elf Mal konnte er seinen Mitspielern eine direkte Torvorlage geben.
Besonders Sturmspitze und nimmermüder Läufer Dominik Kumbela profitierte davon, denn mit starken 19 Buden und neun Vorlagen, war der pfeilschnelle Kongolese, zusammen mit Heidenheims Patrick Meyer, Torschützenkönig der 3.Liga. Auch in dieser Saison war der 27 Jahre alte Publikumsliebling bereits zweimal zur Stelle. Sollte Kumbela allerdings einmal ausfallen wird es, jedenfalls im Sturmzentrum, eng. Die weiteren Angreifer im Kader Mathias Fetsch (22), Gianluca Korte (21) und Pierre Merkel (22) sind zwar hoffnungsvolle Talente, konnten aber ihre Torgefahr bisweilen noch nicht nachhaltig unter Beweis stellen.
Im Mittelfeld machten bislang die angesprochenen Vrancic und Pfitzner einen vielversprechenden Eindruck, beide waren einmal erfolgreich vor dem Tor und mit soliden bis guten Leistungen auf der „Bühne 2.Liga“ unterwegs. Auch Neuerwerbung Nico Zimmermann (26) vom 1.FC Saarbrücken verpflichtet, konnte mit einigen starken Flügelläufen und einem Traumtor von sich reden machen.
Es passt bei den Niedersachsen, denn auch Neue sind schnell integriert, sofern das eingespielte Grundgerüst funktioniert. Doch manchmal kann es auch anders laufen…

Pokal gegen die Bayern – das Spiel des Jahres

In der ersten Pokalrunde trafen die Braunschweiger im „Spiel des Jahres“ im Eintracht-Stadion auf den FC Bayern München und das zu einem Zeitpunkt, in der Bayern noch nicht so recht in der Spur,  die Braunschweiger jedoch ungeschlagen waren. Hoffnung die großen Bayern ärgern zu können, keimte auf und das Spiel wurde mit bei ausverkauftem Haus, engagiert angegangen. Endstand: 0-3!
Der BTSV spielte im gewohnten 4-1-4-1 und der FC Bayern zeigte kompromisslos die Schwächen dieses Systems auf. Neben dem einen defensiven Mittelfeldspieler, wo heute bei anderen Teams sehr häufig die „Doppel-Sechs“ agiert, können beträchtliche Lücken klaffen. Die Bayern nutzten diese Freiräume geschickt aus, in dem die Außen des FCB immer wieder den Weg in die Mitte suchten, oder Bastian Schweinsteiger mit diagonalen Sprints über die Mittelfeldreihe hinweg in die gebotenen Räume stieß. Wenn das der Fall war, war die Zuordnung in Braunschweigs Hintermannschaft oft nicht klar und der einzige Sechser musste sich in seinem Deckungsverhalten zwischen Schweinsteiger oder Ex-Hanseat Toni Kroos entscheiden. Zogen David Alaba oder Thomas Müller nach Innen, standen die Außenverteidiger vor dem gleichen Problem: mitgehen oder übergeben, bei letzterem musste der Innenverteidiger ein ums andere Mal Mario Gomez „freien Lauf“ lassen. Bei allen Gegentoren konnten auf diese Weise die nötigen Freiheiten und Anspielmöglichkeiten geschaffen werden.

Alt und jung, Erfahrung und Unbekümmertheit

Trainer Torsten Lieberknecht setzt auf die bekannte und erfolgreiche Mischung aus jungen Talenten und gestanden Profis. Neben Deniz Dogan zeigen vor allem Marjan Petkovic und Dennis Kruppke die nötige Abgeklärtheit und Ruhe. Mit einem Altersdurchschnitt von 25,53 Jahre, der bislang eingesetzten Spieler liegt das Team nur einen Rang hinter Hansa auf Platz fünf.
Bemerkenswerter ist jedoch, dass vor der Saison nur vier Profis eine nennenswerte Zweitliga-Erfahrung aufweisen konnten, alle anderen kamen nur zu sporadischen Einsätzen oder waren völlige Neulinge in Liga 2. Beeindruckend, wie aber der mangelnden Erfahrung zum Trotz, der FC St. Pauli am letzten Spieltag in Braunschweig mit 1-0 seine erste Saisonschlappe hinnehmen musste.
Ein Faktor ist sicherlich mit welcher Geduld der 38-jährige Lieberknecht an seinem Team feilte und wie wenig er sich mit den gezeigten Leistungen seines Teams zufrieden gibt. In der Pressekonferenz vor dem morgigen Spiel, betonte er, „dass es Zeit sei, die individuellen Leistungen zu bestätigen oder noch zu verbessern“, damit man in Rostock etwas Zählbares mitnehmen könne.
Tief stapeln als Erfolgsrezept? In jedem Fall, wollen die Braunschweiger nicht noch mal den „Knock-Out“ in letzter Sekunde, wie beim letzten Auftritt in Rostock, als Peter Schyrba mit dem Kopf zur Stelle war. Ganz ehrlich: wir wären nicht allzu böse, wenn es wieder so kommt!