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18.11.2009 09:23 Uhr

F.C. Hansa Rostock weist Vorwurf des Angriffs auf Rollstuhlfahrer zurück

Der Fußball-Zweitligist F.C. Hansa Rostock weist Vorwürfe zurück, wonach ein Rollstuhlfahrer während der Partie zwischen dem F.C. Hansa Rostock und dem FC St. Pauli am 2. November 2009 tätlich angegriffen worden sei.

Der St. Pauli-Fan hatte in einer E-Mail, die er an verschiedende Redaktionen geschickt hatte, behauptet, er sei während des Spiels geschlagen und beleidigt worden.

In verschiedenen Medien wurde dieser Sachverhalt publiziert.

Der F.C. Hansa Rostock hat die Vorwürfe sehr ernst genommen und die Aufarbeitung mit Hochdruck vorangetrieben.

Nachfolgend erhalten Sie den Abschlussbericht des Leiters des Ordnungsdienstes.

Alle Ordner haben erklärt, dass Sie ihre hier getätigten Aussagen gegebenenfalls eidesstattlich versichern und als Zeugen zur Verfügung stünden.

Der F.C. Hansa Rostock betont ausdrücklich, dass er mit diesem Schritt nicht von Verfehlungen einiger Personen ablenken will, die mit ihrem Verhalten dem Ansehen des F.C. Hansa Rostock geschadet haben. „Eine differenzierte Betrachtung der Vorfälle ist in meinen Augen die richtige Vorgehensweise. Der F.C. Hansa Rostock distanziert sich von jeglicher Gewalt und Diskriminierung“, sagte Rostocks Vorstandsvorsitzender Dirk Grabow.

 

Bericht zum Angriff auf einen Rollstuhlfahrer (St. Pauli Fan) anlässlich des Fußballspieles F.C. Hansa Rostock – FC St. Pauli am 02.11.2009

Zu dem oben genannten Vorfall wurden insbesondere aufgrund des erheblichen Medienechos weitere umfangreiche Befragungen durchgeführt. Befragt wurden insbesondere der Bereichsleiter Osttribüne (im weiteren BL Osttribüne), der Gruppenführer Osttribüne rechts (im weiteren GF Ost-rechts) sowie der Stellv. Gruppenführer Tor 2 (im weiteren StGF-2), der die im Spielverlauf zugeführten Reservekräfte führte.

Die räumliche Situation stellte sich wie folgt dar:
Auf der Rollstuhlfahrer-Traverse zwischen Block 16 und Block 16A standen ganz links (Blickrichtung Spielfeld) zwei Hamburger Rollstuhlfahrer mit Ihren Begleitpersonen unmittelbar neben der Treppe. Rechts daneben war eine Lücke von mehreren Metern, noch weiter rechts standen die Rostocker Rollstuhlfahrer.

In der Lücke standen gemischt (Hansa-Fans/St. Pauli-Fans) wenige Personen, darunter auch die später verwiesene Person.

Der BL Osttribüne erklärte, dass er strikte Anweisung erteilt habe, den Beschwerde führenden Rollstuhlfahrer (im weiteren Dr. A) und die weiteren auf der Osttribüne befindlichen St. Pauli Fans nicht aus den Auge zu lassen, insbesondere wenn diese den Blockbereich in Richtung Promenade (Imbiss/Toilette) verließen. Zeitweise übernahm er diese Aufgabe auch selbst. Dabei wurden – bis auf den weiter unten beschriebenen Sachverhalt – keine Feststellungen getroffen.

Nach eindeutiger Aussage des StGF-2 kam es, als Dr. A nach dem 0:1 jubelnd seine Fahne schwenkte, zu keinerlei tätlicher Bedrohung in diesem Bereich. Es befanden sich keine Personen im Umkreis von ca. 2 Metern um Dr. A außer den anderen – bereits benannten – St. Pauli-Fans.
Es hielten sich auch keine „Glatzen mit Springerstiefeln“ – wie von Dr. A im Interwiev (Bild.de) beschrieben – im weiteren Umfeld auf. Dies wurde ausdrücklich bei allen Beteiligten mehrfach hinterfragt.
Die Auseinandersetzung beschränkte sich auf einen rein verbalen Schlagabtausch zwischen Dr. A und einigen Hansafans aus den Blöcken 16 und 16A, wobei auch Dr. A kein Blatt vor den Mund nahm und die Hansafans heftig beschimpfte. Dabei kamen auch Ausdrücke wie „Nazipack“ und „Scheiß Hansa Rostock“ regelmäßig vor.
Einen tätlichen Angriff schloss der StGF-2, der sich zu diesem Zeitpunkt ca. 2 Meter von Dr. A entfernt aufhielt, auf ausdrückliche Nachfrage kategorisch aus.
Etwa zu dieser Zeit dürfte die im Kurzbericht vom 03.11.2009 erwähnte Ansprache des Rolli-Begleiters gegenüber dem AL-4 erfolgt sein.

Der Begleiter von Dr. A verlangte, dass eine Traube von Ordnern um den Rollstuhl des Dr. A herum aufgestellt würde. Dieses Ansinnen wurde jedoch vom BL Osttribüne abgelehnt, da aus seiner Sicht hierfür keine Veranlassung bestand, damit die Rollstuhlfahrertraverse an dieser Stelle völlig zugestellt worden wäre und sowohl Ordner als auch Polizisten ohnehin in einem Abstand von ca. 2 Metern auf der anderen Seite der Treppe standen.
Auch nach dem 0:2 kam es nach Aussage des StGF-2 zu keinem tätlichen Angriff auf Dr. A.

Allerdings gab es einen Hansa-Fan in der Lücke zwischen den Rollstuhlfahrer-gruppen, der nach dem Torjubel der wenigen St.Pauli-Fans völlig ausrastete und dabei auch ein ca. 12jähriges Mädchen (St. Pauli-Fan) mit der Hand ins Genick schlug. Daraufhin wurde dieser vom StGF-2, der dies beobachtet hatte, sofort aus dem Geschehen gezogen und ihm mitgeteilt, dass er das Stadion zu verlassen habe. Auf dem Weg nach draußen wurde er vom BL Osttribüne begleitet. Er verließ das Stadion ohne jeden Widerstand und  entschuldigte sich dabei mehrfach für sein Verhalten und teilte auch mit, dass er Jahreskarteninhaber sei. Diese Verweisung wurde nicht als Tageshausverbot gemeldet. Offenbar handelt es sich hierbei um den von Dr. A beobachteten Sachverhalt. Von dieser Person war aber keinerlei – nicht einmal verbaler – Angriff auf Dr. A ausgegangen. Die Person befand sich bei dem Geschehen ca. 3-4 Meter von Dr. A entfernt. Übereinstimmend wurde diese Person folgendermaßen beschrieben: ca. 35 Jahre alt, ca. 1,70 m groß, durchschnittliche Gestalt, Halbglatze, kurze Haare, normale, keinesfalls militante Kleidung, angetrunken.

Der StGF-2 konnte nicht ausschließen, dass er beim Herausziehen vorgenannter Person den Rollstuhl des Dr. A möglicherweise angestoßen hat.
Auch zu diesem Zeitpunkt gab es wieder verbale Auseinandersetzungen zwischen Dr. A und umsitzenden Hansafans in der oben bereits beschriebenen Art und Weise.

Auch der GF Ost-rechts, der in den letzten 20 Spielminuten allerdings nur sporadisch im Mundlochbereich Block 16/17 auftauchte, konnte keinerlei Bedrohungssituation für Dr. A erkennen.

Ca. 5 Minuten vor dem Abpfiff sprach der BL Osttribüne den Dr. A an und empfahl ihm, den Bereich bereits jetzt in Begleitung eines Ordners zu verlassen, da mit dem Abpfiff alle Einsatzkräfte gebunden sein würden und dann ein Schutz beim Verlassen der Osttribüne kaum noch möglich wäre. Daraufhin beschimpfte Dr. A sofort den BL Osttribüne. Der neben Dr. A stehende Hamburger Rollstuhlfahrer ging allerdings auf dieses Angebot ein. Kurz darauf folgte dann auch Dr. A.
Als dieser das Mundloch passierte, begegnete er wiederum dem StGF-2. Der StGF-2 hörte dabei wie Dr. A sinngemäß äußerte: „Den Hansafans werde ich es zeigen“.
Als er an der Ordnerkette in Richtung Gästeblock vorbeifuhr, pöbelte er sowohl gegen die Ordner als auch gegen weitere Hansafans auf der Promenade. Dabei wurden alle als Nazis beschimpft und er rief lauthals „Scheiß Hansa Rostock“. Die Beschimpfung als Nazis setzte sich auch im Fahrstuhl gegenüber Rostocker Rollstuhlfahrern fort. Dies geschah im Beisein des für den Fahrstuhl zuständigen Ordners wie auch des begleitenden BL Osttribüne. Letzterer versuchte vergeblich Dr. A zu beschwichtigen, die Schimpftiraden setzten sich fort, bis Dr. A im Gästeblock verschwunden war.

Ergänzend ist festzustellen, dass sich Dr. A bereits vor dem Spiel sehr abfällig und aufgebracht gegenüber dem 2. StEL äußerte, als ihm mitgeteilt wurde, dass er mit seinem Rollstuhl nicht im Gästeblock stehen könne.
Übereinstimmend wurde durch alle Befragten eingeschätzt, dass Dr. A erheblich angetrunken, jedoch nicht betrunken war. 

Im Ergebnis sollte für künftige Spiele dieser Art erwogen werden, Rollstuhlfahrer der Gastmannschaft im Puffer hinter der Sperrkette unterzubringen.
Weiterhin wird ein Schwerpunkt der nächsten Einsatzbesprechung nochmals die Meldetätigkeit von Führungskräften sein.

Michael Stiewe
Leiter Ordnungsdienst

Hier die ursprüngliche die E-Mail des Rollstuhlfahrers, die er auch an verschiedene Redaktionen gesandt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Fußballfreunde,

ich möchte Sie über folgende Vorkommnisse während des Spiels am Montag in Kenntnis setzen:

Ich war als Rollstuhlfahrer und St. Pauli- Anhänger in Begleitung meines Freundes und Kollegen XXXXXX beim Spiel Hansa Rostock gegen den FC St. Pauli. Wir standen auf den für die Rollstuhlfahrer vorgesehenen Plätzen in der Osttribüne am südlichen Ende, nah an der Absperrung zum Gästeblock. Zwischen Gästeblock und Osttribüne lag ein freier Block, der von Sicherheitsleuten und zuletzt auch von der Polizei abgeschirmt war. Wir, es kam noch eine weitere Rollstuhlfahrerin aus St. Pauli mit Ihrem Begleiter hinzu, standen also relativ nah zu den Sicherheitsdienstleuten und der Polizei. Während des Spiels wurden wir immer wieder von Hansa-Fans beschimpft und angepöbelt, was bei so einem Spiel zu ertragen und wohl auch kaum anders zu erwarten gewesen war. So etwas ist zwar unschön, aber nicht das Problem. Beängstigend wurde dann allerdings die während des Spiels zunehmende Präsenz von offen an Ihrer Kleidung und Emblemen als rechtsradikal zu erkennenden Männer (Hansa-Fans??), die frei um uns herumwuselten und ihren Haß durch Pöbeleien und Stinkefinger massiv zum Ausdruck brachten. Von Seiten des Sicherheitsdienstes wurden wir nicht abgeschirmt. Unsere Nachfrage, ob wir aus Sicherheitserwägungen vielleicht zum St. Pauli-Block durchgelassen werden könnten, wurde von der Polizei abschlägig beschieden. Als dann das 0 : 1 fiel und wir jubelten und ich meine St Pauli-Fahne schwang, wurde ich von einem Hansa-Fan, der übrigens nicht rechtsradikal aussah, tätlich angegriffen. Er schlug auf mich ein und versuchte mir die Fahne zu entreißen. Da ich mich mit dem rechten Arm schützte, trafen seine Schläge zum Glück nur den Arm. Dann verschwand er sehr schnell. Die Szene wurde sowohl vom Sicherheitsdienst als auch von der Polizei beobachtet, schließlich standen sie nur wenige Meter daneben, griffen aber nicht ein. Auch Zuschauer, die das beobachtet hatten, fühlten sich nicht bemüßigt, irgendetwas zu tun. Dann erfolgte von derselben Person ein zweiter Angriff in gleicher Weise, der von mir in ebenso gleicher Weise abgewehrt wurde. Auf massiven Protest meines Begleiters hin, der den Sicherheitsdienstleuten den wieder in der Menge abgetauchten Angreifer zeigte, wurde dieser schließlich abgeführt. Auf meine Bitte, doch wenigstens einen von den vielen Sicherheitsdienstleuten unmittelbar neben uns zu stellen, wurde mir geantwortet, daß das nicht ginge, man könne mir aber anbieten, das Stadion zu verlassen. Dann fiel das 0:2 und wieder jubelten wir. Nun aber war es so, daß sich eine massive Drohkulisse gegen uns aufbaute.

Von allen Seiten wurden wir beschimpft und bedroht. Und da sich jetzt auch die Kumpels von dem Abgeführten zusammenrotteten, in ihren haßerfüllten Gesichtern ihre Absichten abzulesen waren und weder Polizei noch Sicherheitsdienst Anstalten machten, uns abzusichern, haben wir, die St. Pauli-Rollstuhlfahrer und ihre Begleiter, vorzeitig das Stadion verlassen.

Soweit mein Tatsachenbericht. XXXX könnte sicher auch einen Bericht verfassen über das, was und wie er es gesehen hat, falls gewünscht. Leider habe ich es in der Aufregung versäumt, einen Adreß- und Telefonaustausch mit den anderen beiden Pauli-Fans vorzunehmen und in der Menge haben wir uns dann verloren.

Ich möchte aber nicht versäumen, noch ein paar Anmerkungen und ganz persönliche Beurteilungen zum Geschehen abzugeben:
Wie weit ist es von dem Schritt, eine in eine St Pauli-Fahne eingehüllte Gummipuppe von einem hohen Podest auf den Asphalt fallen zu lassen quasi als Nachspielen des Unglücks, das den Pauli-Fan Mini traf, zum Zuschlagen gegen Menschen, die sich nicht wehren können? Von Leuten dieses Schlages nicht sehr weit, wie ich erfahren mußte. Nachdem man sich den Gegner entsprechend zurecht gemalt hat  (Asoziale Wessis, Zecken, hassenswerte Schwule - alles Ausdrücke, die aus der Rostocker Fanszene kommen), ist es doch klar, daß die kein Recht auf Sieg haben und wenn sie es dann trotzdem tun, gehören sie dafür verprügelt. Können solche Fans sich eigentlich noch an ein schönes, spannendes und aufregendes Fußballspiel erfreuen, auch wenn der eigene Sieg mal ausbleibt?

Es ist aber schon eine besondere Qualität, wegen eines verlorenen Fußballspiels auf Behinderte einzuschlagen. Ehrlich gesagt, habe ich mir das bis jetzt nicht vorstellen können, vielleicht in meiner naiven Meinung, daß niemand wohl so viel Feigheit öffentlich wird zeigen wollen. Tja, falsch gedacht.

Auch die Hilfsbereitschaft noch nicht so verhetzter Hansafans ( da nützt es auch nichts , wenn mir ein Hansafan  s a g t , daß nicht alle so denken und wären, bloß  g e t a n  hat er eben nichts - doch, ein Bonbon hat er mir geschenkt!) , einschließlich der Polizei und der Hansa-Sicherheitskräfte, habe ich wohl gründlich unterschätzt. Soll man aber daraus den Schluß ziehen und in Zukunft als Behinderter solche Fußballspiele nicht mehr besuchen, wie jetzt einige meiner Freunde meinen? Auch wenn das sicherlich nicht Zweck von solch Rechtsradikalen ist, Behinderte fernzuhalten, in der Konsequenz wäre es doch ein Kniefall vor ihnen.

Was mich auch erschreckt hat, war die Diskussion mit Vertretern vom Verein Hansa Rostock darüber. Da herrscht doch tatsächlich die Meinung vor, Hansa Rostock hätte in seinen Reihen keine rechtsradikalen oder faschistischen Fans, wenn, dann höchstens ganz vereinzelte und überhaupt seien das alles Zugereiste.  Haben die sich eigentlich mal Gedanken darüber gemacht, warum der Verein so attraktiv für "zugereiste"
Rechtsradikale ist?

Und warum, wenn es nur Vereinzelte sind, ruft fast das ganze Stadion "Unsere größten Gegner sind die schwulen Hamburger" und machen den Affen, wenn ein schwarzer St. Pauli-Spieler an den Ball kommt (so geschehen vor einem Jahr)? Mir scheint, die Verantwortlichen des Vereins verschließen die Augen vor der Wahrheit - vielleicht, weil sie das Problem nicht anfassen wollen.

Und die behinderten Fans des Vereins selber? Ja, da sind wir doch tatsächlich vor Ende des Spiels mit vier Hansa-Rollis und deren Begleitung in einem großen Lastenaufzug runtergefahren - wir, weil wir Angst, die anderen, weil sie vom Spiel wohl die Schnauze voll hatten.

Die Stille während des sehr langsamen Runterfahrens habe ich dann für eine Ansprache genutzt, habe vom Angriff auf mich berichtet und dann den Appell losgelassen, sie sollten eingedenk sein, daß sie alle, alle wie sie da säßen,  in den Augen dieser Rechtsradikalen, die sie in Ihren Reihen dulden,  lebensunwertes Leben darstellen, und sie in ihrem eigenen Interesse dafür sorgen sollten, daß diese bekämpft werden. Was geschah? Alle guckten sie bedröppelt zu Boden, keiner sagte was, nur einer von den Betreuern klatschte Beifall. Und dann sagte doch tatsächlich einer von der Rollstuhlfahrern, wenn er nach St. Pauli käme, würde er wohl auch angegriffen! Mein Gott, was hat der eigentlich verstanden?! Abgesehen davon, daß so etwas bei uns undenkbar wäre, wofür soll das eigentlich eine Rechtfertigung sein?

Ich will jetzt nicht mit diesen Idioten, die die Bengalos gezündet haben, abrechnen - die Freude, zusammen mit unseren, so ganz anderen, liebenswerten Fans auf großer Fahrt von Hamburg nach Rostock und zurück gewesen zu sein überwiegt und entschädigt für so manches!


Der F.C. Hansa Rostock betont ausdrücklich, dass der Verein mit diesem Schritt gegen Unwahrheiten vorgeht und sich auch in Zukunft wehren wird, wenn Unwahrheiten das Vereinsimage schädigen.