09.12.2005 08:14 Uhr
Die Geschichte des F.C. Hansa (S.C. Empor) ist auch die Geschichte seiner Trainer. Hinter jedem steckt ein Fußball-Lehrer, der in über 50 Jahren zur Rostocker Legende wurde. Zu diesen Legenden gehört auch: Uwe Reinders.
Welchen Stellenwert der Fußball-Lehrer Uwe Reinders für den F.C. Hansa Rostock in der Geschichte des Vereins hatte, bringt sein einstiger Schüler Heiko März auf diese kurze Formel: „Uwe Reinders war zur rechten Zeit am richtigen Ort. Wahrscheinlich hätte aber auch jeder andere Trainer kommen können. Wir waren doch einfach eine gute Truppe…“
Tatsache: Uwe Reinders steht mit seinem damaligen Co-Trainer Jürgen Decker im Geschichtsbuch des Vereins für drei Dinge:
Er führte die Hanseaten zum ersten und einzigen Meistertitel in der DDR-Oberliga.
Als NOFV-Meister qualifizierte sich der F.C. Hansa nach der Wiedervereinigung mit dem 1. FC Dynamo Dresden für die Bundesliga.
Hansa gewann vor dem Ende der DDR auch endlich einmal den Pokal!
Mehr ging nicht!
Reinders, der Messias von Rostock.
Seine Vita: 19. Januar 1955 geboren; er spielte von 1977 bis 1985 in 206 Spielen (67 Tore) für Werder Bremen. Mit der Nationalmannschaft wurde er 1982 in Spanien Vizeweltmeister. Insgesamt 4 Mal trug der Stürmer das Trikot mit dem Bundesadler und erzielte einen Treffer.
Das bekannteste Tor, das Uwe Reinders erzielte, war das Einwurf-Tor gegen Jean-Marie Pfaff 1982 beim 1:0 Sieg von Werder Bremen gegen Bayern München.
Der damalige Kapitän Juri Schlünz gestand später über die Zeit von Reinders in Rostock: „Im ersten Jahr haben wir ihm alles geglaubt. Er hat alles geändert, das Training, die Intensität, die Ernährung. Er hat uns gezeigt, wo es im Profifußball lang geht…“
Was Reinders wiederum wunderte: Beim ersten Training haben sich alle Spieler vor ihm aufgebaut und mit „Sport frei“ ihr Training begonnen. Sie kannten das aus der alten DDR, Reinders schaffte das Ritual ab.
Auch der gut gemeinte Rat des Mannes aus Aurich bei Bremen, ihn jederzeit anrufen zu können, ging damals noch völlig ins Leere. „Trainer, von uns hat keiner ein Telefon…“
Immerhin, Reinders war im Neptun-Hotel oder in Kühlungsborn tatsächlich für seine Spieler erreichbar und hatte ein offenes Ohr für seine Jungs. „Ich spreche eine deutliche Sprache, die jeder versteht. Und in der Kabine spreche ich Klartext", sagt der gebürtige Essener immer.
Seine Maxime damals: „Ich verlange nichts Ungewöhnliches", so der vierfache A-Nationalspieler. „Ich verlange, dass meine Spieler wie Profis leben, und dass sie ihren treuen Fans ein Signal geben, indem sie Gas geben."
Reinders Glück: Der Berliner Werner Voigt hatte ihm eine komplett funktionierende Mannschaft hinterlassen. Technisch gut ausgebildet, taktisch glänzend geschult, moralisch gefestigt, aber vor allem waren die Spieler ihrer Heimat noch verbunden.
Während die Sammers und Kirsten, Doll und Thom aus Dresden oder Berlin in den Westen verschwanden, blieb der Stamm des Aufgebots des F.C. Hansa zusammen und erfolgreich.
Für den illegalen Transfer von Axel Kruse gab es auf FIFA-Beschluss nun das erste Westgeld und auch Profiverträge.
Die Premiere in der Bundesliga war gigantisch.
4:0 gegen Nürnberg, 2:1 bei Bayern München, 5:1 gegen Borussia Dortmund!
Der Bundesliga-Aufsteiger von der Ostsee stand plötzlich an der Tabellenspitze, aber mit den ersten Niederlagen schwand die Euphorie, wuchs Streit und Missgunst.
Vor allem die Situation zwischen Präsident Gerd Kische und dem Trainer eskalierte.
Der „kicker“ enthüllte damals plötzlich, mit Jörg Berger stünde schon der Nachfolger für Reinders bereit. Derweil lies sich Kische so zitieren: „Als die Rückschläge kamen, wurde immer weniger trainiert, die Spieler beschwerten sich bei mir. Mit Beleidigungen und Sprüchen war der Absturz nicht aufzuhalten. Reinders hatte dafür keinerlei Konzepte.“
Das Denkmal Reinders bröckelte, „Uns Uwe“, „unser Heiland“ „Garant des Erfolges“ geriet bei Kische in eine peinliche Dauerfehde.
Die Folge: Am 9. März 1992 löste der höchst seriöse Kölner Fußball-Lehrer Erich Rutemöller den Volks-Menschen Uwe Reinders unter dem Protest vieler Fans ab und stieg auch ab…
Mit dem Abschied aus Rostock sank auch Uwe Reinders Popularität. Weder bei Traditionsvereinen wie Hertha BSC, MSV Duisburg oder Eintracht Braunschweig konnte er sich noch einmal ein Denkmal bauen. Danach trainierte er den 1. FC Pforzheim, betreute die Fußballschule von Rudi Völler in Mallorca, arbeitet für ein Reisebüro und trainiert heute den Oberligisten SV Brinkum.