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15.03.2006 08:17 Uhr

"Ich will noch einmal Bundesliga spielen"

Mit einem 1:0-Sieg über Wacker Burghausen und nunmehr 34 Punkten hat sich der Bundesliga-Absteiger F.C. Hansa auf einen einstelligen Tabellenplatz hoch gehangelt und belegt in der 2. Liga nach 24 Spielen Rang 9. Zehn Spiele vor dem Saisonende bat Hansa-Online Mannschaftskapitän René Rydlewicz (32) zum Interview.

René, Sie saßen wie Kai Bülow, Gledson und Tobias Rathgeb gegen Burghausen nur auf der Tribüne, leiden seit Wochen unter Muskelproblemen. Sind Sie am Sonntag in Aue wieder dabei?

Rydlewicz: Wer mich kennt, der weiß, dass ich immer spielen will. Aber, was keiner wusste, meine Muskelbeschwerden waren fünf Wochen ein richtiger Muskelfaserriss. Den muss ich nun erst einmal in aller Ruhe auskurieren. Nur ein gesunder Spieler kann unserer Mannschaft helfen. Wenn ich im Training spätestens am Donnerstag ohne Schmerzen alles mitmachen kann, stelle ich mich natürlich dem Trainer zur Verfügung. Ansonsten muss ich meine Verletzung wie Gledson oder Kai Bülow erst einmal ausheilen lassen.

Nach dem Sieg gegen Burghausen hat der Trainer zwei Tage frei gegeben – auch für Sie?

Rydlewicz: Natürlich nicht. Es gibt für mich momentan keine freien Tage. Ich gebe – wie unsere medizinische Abteilung – alles, um in Aue dabei zu sein. Momentan sind das aber nur Läufe und Behandlungen bei den Ärzten und Physiotherapeuten. Ich trainiere zur Zeit konkret mit Kai Bülow, dem es nach seinem Unfall in Paderborn erfreulicherweise wieder besser geht und der auch bald wieder spielen wird.

Die Mannschaft hat ohne Rydlewicz, Rathgeb, Bülow und Gledson gewonnen. Wie beurteilen Sie diesen Sieg?

Rydlewicz: Es war ein Erfolg in einer sehr schwierigen Phase. Von fünf Partien haben wir vier verloren und gegen Bochum, Paderborn, Dresden oder Aachen wichtige Spiele nicht gewonnen. Das war verdammt bitter. Aber jene Spieler, die gegen Wacker ran durften, haben sich prächtig verkauft. Ich fand, dieses Spiel ohne Vier hatte sogar etwas Gutes. Da haben sich im Wettkampf einige gezeigt, die zuletzt nicht immer große Chancen auf 90 Minuten Spiel hatten. Das war für viele auch eine Charakterfrage, die alle bestanden haben.

Wie das denn?

Rydlewicz: Man hat gegen Burghausen gesehen, wir sind eine Mannschaft. Die, die auf dem Platz standen, haben ihr Herz in die Hand genommen und ihre Chance genutzt. Wir können uns also auch auf Spieler verlassen, die in den hinteren Reihen stehen. Wir sind 24 bis 28 Mann. Ob nun Madsen, Lapaczinski, Cetkovic oder Shapourzadeh – alle  fügten sich gut ins Team. Wenn vorne die Leistungsträger verletzt sind, dann ist eben hinten dran auch jeder gefragt. Und die, die gespielt haben, haben alles gegeben und nun auch Ihren Anteil, dass wir unserem momentanen Ziel, so schnell wie möglich 40 Punkte zu erreichen, näher kommen!

Das ist ein bescheidenes Ziel für einen Absteiger aus der Bundesliga?

Rydlewicz: Wir haben nach dem misslungenen Start in der 2. Liga die Hypothek von Null Punkten aus den ersten vier Spielen gehabt. Schlimmer konnte es für uns gar nicht kommen. Für uns war das doch ein Verfolgungsrennen durch die gesamte Meisterschaft. Das war hart und verdammt enttäuschend. So sind wir über Wochen fast immer mindestens sechs bis acht Punkte von den Plätzen entfernt gewesen, von denen wir alle geträumt haben.

Ziel war immer der sofortige Wiederaufstieg! Unter Trainer Frank Pagelsdorf haben wir uns dann ganz langsam erholt, stabilisiert, von den Abstiegsplätzen entfernt. Diese 2. Liga ist nach unten wie nach oben so verdammt ausgeglichen. Da musst du nach vorn wie nach hinten schauen. Das tun wir. Wir sind in der Phase der Konsolidierung und ich hoffe, wir können dies auch mal wieder zeigen. Beispielsweise in Aue. Das Ziel ist es tatsächlich erst einmal diese 40 Punkte gegen den Abstieg zu holen.

Träumen Sie nicht mehr?

Rydlewicz: Ich bin kein Träumer. Klar ist. Ich wollte im Sommer mit Hansa in die Bundesliga zurück. Tritt dieser Fall nicht ein, wird das für mich, für uns alle eine kapitale Enttäuschung sein. Ein drittes Jahr zweite Liga habe ich eigentlich nicht in meiner persönlichen Planung vorgesehen. Aber Fakt ist, ich werde dann nicht lange mit hängendem Kopf rumlaufen…

Warum?

Rydlewicz: Ich sehe einfach die Realität in Rostock.

Wie sieht die aus?

Rydlewicz: Wir haben nach dem Abstieg einen Umbruch durch Frank Pagelsdorf erlebt und eine der jüngsten Mannschaften der Liga. Das gibt mir Hoffnung. Wir haben gute, junge Kerle wie Sebastian, Bülow oder Schied. Auch Stein oder Shapourzadeh werden immer besser. Die sind am Anfang ihrer Karriere. Im Winter sind noch mal drei interessante Spieler mit Kern, Rathgeb und Cetkovic auch als Wechsel auf die Zukunft dazu gekommen. Das gibt mir Hoffnung. Hier sind die Fundamente für die Zukunft gelegt und die Leistungsskala bei jedem ist nach oben absolut offen. Seien wir doch mal ehrlich: Wir haben doch schon in einigen Spielen gezeigt, wie der Ball auch rollen kann und attraktiven Fußball gezeigt. Aber wir sind eben auch noch in manchen Situationen nicht clever und cool genug. Aber man sieht auch, da gibt es Spieler, die geben für den Verein alles…

Ein Beispiel bitte…?

Rydlewicz: Mal ehrlich, ich ziehe meinen Hut vor Denis Lapaczinski. Der ist seit Monaten, ja Jahren vom Verletzungspech verfolgt und hat diverse Rückschläge eingesteckt. Aber der hat nie geklagt, sich immer wieder rangekämpft und zuletzt gegen Burghausen eine absolut positive Entwicklung genommen. Solche Charakterstärke ist absolut gut für eine Mannschaft.

Aber Sie haben nach dem Aachen-Spiel auch gesagt, die Mannschaft ist zu grün?

Rydlewicz: Klar, wir haben immer wieder Lehrgeld gezahlt. Mal war die Abwehr nicht stabil, mal das Mittelfeld zu unkontrolliert, mal der Angriff zu nervös. Einer stabilen Mannschaft passiert so etwas seltener. Aber diese Liga ist so verdammt ausgeglichen und gleichwertig, da kann immer alles passieren und noch weiß niemand, wer steigt auf und wer ab.

Noch sind 30 Punkte zu vergeben. 34 haben sie jetzt. Mit 64 Zählern könnte man theoretisch aufsteigen?

Rydlewicz: Das ist doch Mathematik. Damit kann man Hoffnung flackern lassen, sich Mut machen. Die Wahrheit: Wir müssen lernen, stabiler zu spielen. Wenn wir schnell diese besagten 40 Punkte haben, uns wirklich noch hinter dem Spitzentrio etablieren können, dann können wir auch über das A-Wort wie Aufstieg noch einmal nachdenken. Ansonsten aber machen wir uns doch lächerlich mit irgendwelchen Phrasen oder Hirngespinsten. Es ist gut, jetzt mal im großen Rahmen zu denken und uns alle in Geduld zu üben. So ehrgeizig und so heiß wir auch auf die Bundesliga sind!

Spürt man die Handschrift des Trainers. Der wirkt immer so gelassen?

Rydlewicz: Absolut positiv finde ich, dass sich der Trainer in der Öffentlichkeit immer vor uns Spieler gestellt hat. Aber so ruhig ist er gar nicht. In der Kabine knallt es dann um so lauter. Aber es geht ja auch um etwas. Und die größte Antriebskraft ist immer noch Wettbewerb und Konkurrenzkampf. Wichtig ist, dass der Trainer Zeit für den Neuaufbau bekommen hat und unsere Basis steht. Vielleicht schaffen wir den Aufstieg dieses Jahr wirklich nicht. Aber der Verein hat seine Zukunft mit dieser Jugend!

Sie sind durch Frank Pagelsdorf wieder Kapitän dieser Mannschaft. Ist das in Rostock eine leichte Aufgabe?

Rydlewicz: Total. Wir sind nicht nur eine junge, sondern auch eine ehrgeizige und problemlose Truppe. Die Jungs machen es dem Kapitän leicht, weil es keine internen Konflikte gibt. Die ziehen wirklich auch alle an einem Strang. Da gibt es momentan Null Probleme.

Gibt es dafür auch ein Beispiel?

Rydlewicz: Es ist noch kein Jahr her, da haben wir uns oft zum Abendessen getroffen. Ich war gerade bei der Vorspeise, da sind die ersten schon wieder weg gewesen. So etwas gibt es in dieser Mannschaft nicht mehr. Wir treffen uns öfter Mal zum Essen oder zum Bowling und sind jetzt oft alle bis zum Nachtisch zusammen. Diese Mannschaft hat keine Cliquen. Auch das gehört zu dem Fundament, was eine Mannschaft für den Aufstieg braucht. Egal wie es ausgeht, egal ob ich mich im Mai dann grün ärgere und sauer und enttäuscht bin, wenn wir den Aufstieg endgültig abschreiben müssen…

Ist die Truppe nicht zu brav für den Aufstieg?

Rydlewicz: Das kann ich so nicht sehen. Im Training geht es hart zur Sache. Schauen Sie sich das auf dem Platz ruhig mal an…

Viele Fans träumen immer noch vom Aufstieg. Sie sind auswärts und daheim so zahlreich bei den Spielen als würdet ihr noch in der Bundesliga sein. Wie beurteilen Sie das?

Rydlewicz: Also wenn jemand erstklassig ist, dann sind dies unsere Fans. Echt und Hochachtung vor allen! Die Jungs und Mädels sind absolut toll und wir sind ihnen wirklich verpflichtet. Aber ihnen sei auch gesagt: Keiner von uns spielt absichtlich schlecht. Jeder gibt schon sein Bestes. Aber: Manchmal braucht man auch ein wenig Geduld und Vertrauen, um Erfolg zu haben. Ich kann hier nur eins versichern: Wir geben alles. Nur manchmal ist eben der Gegner noch ein wenig besser. Auch wenn es im Mai 2006 nicht reichen sollte für das große Ziel. Dann packen wir unser Ziel eben noch mal von vorne. Ich will noch mal Bundesliga spielen. Jetzt oder später!