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06.03.2021 15:28 Uhr

Im Licht erstrahlter Schattenmann

Heute wird Jürgen „Fluppi“ Decker 75. Eine Hansa-Legende! Als Spieler und als Trainer.

Hansa in Spielkleidung rot-weiß (wie bitte?) vor 35.000 Zuschauern im Ostsee-Stadion (kann gut angehen) am 8. Mai 1968 im Oberliga-Spitzenspiel gegen den FC Carl Zeiss Jena. Es geht um die DDR-Meisterschaft. Mit einem Sieg über die vermeintlich übermächtigen Jenaer wäre die Augenhöhe auf den Titelgewinn austariert. Hansas Trainer Gerhard Gläser wuchtet dem 22-jährigen Jürgen Decker die Kiepe auf: Er soll nicht nur Jenas Perpetuum mobile Rainer Schlutter zum Stottern bringen sondern selbst aktiv in die Offensive gehen. Toll! Tolle Aufgabe! „Fluppi“ reüssiert. Er egalisiert Jenas Führungstor als Wegbegleiter zum heiß (wegen der Emotionalität) erspielten Sieg. Herbert „Ex“ Pankau schießt mit dem 2:1 den entscheidenden Treffer. Entscheidend? Nun ja. Hansa wird in seiner besten Saison der 1960er-Jahre auch nur Zweiter. Nicht schön. Auch die deutliche 0:3-Niederlage im FDGB-Pokalfinale 1967 gegen Motor Zwickau tut weh.

Deckers erstes Punktspiel in der Männermannschaft endet im Mai 1965 beim späteren Meister ASK Vorwärts Berlin mit 0:1. Sein letztes Spiel bestreitet „Fluppi“ im November 1978 beim 2:2 gegen Chemie Böhlen. Viel bedrückender jedoch ist, dass Decker mit dem starken 46-er Fußballerjahrgang der DDR (also mit dem Kämpfer Rainer Schlutter aus Jena oder dem späteren Weltklassetorwart Jürgen Croy aus Zwickau) nicht am UEFA-Juniorenturnier 1964 in den Niederlanden teilnehmen darf. Bornierte Politiker in Zeiten des kalten Krieges verhindern eine Einreise der jungen DDR-Spieler. Den allerersten Auftritt einer Hansa-Mannschaft auf dem Terrain der europäischen Wettbewerbe garniert Jürgen Decker am 18. September 1968 gegen den französischen Vizemeister OGC Nizza beim 3:0 gleich mit zwei Toren und sorgt damit maßgeblich für den Einzug in die nächste Runde.

Jürgen „Fluppi“ Decker als Trainer. Er assistiert Jürgen Heinsch, Uwe Reinders (wird mit Hansa 1991 Meister und Pokalsieger) und Frank Pagelsdorf. Die personifizierte Loyalität als Schattenmann, selbst wenn er auch als Cheftrainer in unteren Ligen Spuren hinterläßt.

Wieder Schneetreiben im Jahrhundertwinter 1978/79. Am 17. März 1979, vor dem Punktspiel gegen Stahl Riesa (3:2), wird der 33-jährige Jürgen Decker von den 12.000 Unentwegten im Rostocker Ostsee-Stadion verabschiedet. Eine bewegte Karriere hatte sich vollendet, die der renommierte Sportjournalist Dieter Buchspieß so beschreibt: „Die Sympathien galten in diesem Moment einem untadeligen und in jeder Hinsicht vorbildlichen Sportsmann, der in insgesamt 692 Einsätzen für seine Mannschaft stets sein Bestes leistete. Jürgen Decker war der Inbegriff der Zuverlässigkeit!“

Mehr geht nicht. Herzlichen Glückwunsch!