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29.11.2023 19:52 Uhr

Liebe Mitglieder, Fans und Partner,

nach unserem Heimspiel am vergangenen Sonnabend gegen den FC St. Pauli wurde öffentlich und vermutlich auch in deinem persönlichen Umfeld darüber diskutiert, wie die Choreo der Fangruppe „Plattenbau Rostock“ interpretiert werden kann. Wie weit die Meinungen zu dieser Choreo auch innerhalb der Hansa-Familie auseinandergehen, hat sich anhand der Mails gezeigt, die uns zu diesem Thema erreicht haben. Unser Credo war immer: Miteinander zu reden, statt übereinander. Daher haben wir alle Mitglieder und Fans, die sich bei uns gemeldet haben, bereits zu einem zeitnahen Diskussionsforum eingeladen.

F.C. Hansa Rostock

Richtigerweise wird vom F.C. Hansa Rostock eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Thema erwartet sowie eine sachliche Aufklärung. Im Zuge dessen haben wir Kontakt zu Dr. Wolfgang Richter aufgenommen, der heute auch von der größten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns für eine Experten-Einschätzung zur Choreo herangezogen wurde.

Zur Person: Dr. Wolfgang Richter, Lehrer für Geografie und Geschichte, war von 1991 bis Dezember 2009 Ausländerbeauftragter der Hansestadt Rostock. 1992 war er bei den menschenverachtenden Ereignissen in Lichtenhagen dabei. Er harrte während der Angriffe mit den vietnamesischen Bürgern im Sonnenblumenhaus aus und flüchtete mit ihnen gemeinsam über das Dach vor den Flammen.

Wir haben Dr. Wolfgang Richter – als damaligen Zeitzeugen und aufgrund seiner anerkannten Expertise zu den Geschehnissen in Lichtenhagen- gebeten, die Choreografie und die daraus resultierende Berichterstattung einzuordnen.

Herr Dr. Richter, es gab eine rege und emotionale Diskussion über die Choreografie am vergangenen Sonnabend im Ostseestadion. Wie haben Sie persönlich diese Choreo wahrgenommen?

Dr. Wolfgang Richter: Ich habe zu Beginn des Spiels einige Bilder aus dem Stadion gesehen, dabei konnte ich auch bei einer Kameraeinstellung das große Banner der Choreografie sehen - und in dem Moment war es für mich völlig in Ordnung, was da zu sehen war. Da hat der Fanclub „Plattenbau Rostock“ aus verschiedenen Nordwest-Stadtteilen Häuser gezeigt, die eben diese Stadtteile symbolisieren. Und was symbolisiert Lichtenhagen? Natürlich das Sonnenblumenhaus! Ein, zwei Tage später, als ich die Artikel in der „Süddeutschen“ oder „FAZ“ gelesen hatte, habe ich mich allerdings zunehmend geärgert, dass dort völlig undifferenziert berichtet wurde und ohne offensichtlich nachzufragen: „Was sind das für Leute, die die Choreo gemacht haben? Was hat sie dazu bewogen? Mit welchem Hintergrund und welcher Haltung machen sie das?“. Da wird die Keule „rassistische Gewalt wird verherrlicht“ rausgeholt und über den Verein und auch die Stadt Rostock geschwungen.

Da ist rauszuhören, dass Sie selber das nicht so empfunden haben?

Dr. Wolfgang Richter: Nein, habe ich nicht. Auch nicht im ersten Moment, als ich das gesehen habe. Ich habe vom Fanclub „Plattenbau Rostock“ schon in der Vergangenheit gehört und dass sie als Symbol die markanten Häuser aus den Rostocker Nordwest-Stadtteilen haben. Und von daher war es für mich völlig logisch, dass symbolisch für Lichtenhagen nur ein Haus stehen kann und das ist das Sonnenblumenhaus.

Fühlen Sie sich, auch nachdem jetzt so viel über die Choreo geschrieben wurde, verletzt oder gekränkt – angesichts der Geschichte dieses Hauses und der schrecklichen Ereignisse, die damals passiert sind?

Dr. Wolfgang Richter: „Nein, fühle ich mich nicht. Ich habe auch mit einem Freund gesprochen, der 1992 im „JAZ“, dem Jugendalternativzentrum, mit dabei war. Er hat sich damals mit mir zusammen und anderen Leuten, die mit im Sonnenblumenhaus waren, maßgeblich bei der Unterstützung der Vietnamesen engagiert. Und dieser Freund ist regelmäßig auf der Südtribüne und war es auch bei diesem Spiel. Er hat auch das Gespräch mit Leuten aus dieser Fangruppierung gesucht, weil er den persönlichen Bezug zu Lichtenhagen hat. Und er hat mir auch bestätigt, dass „rassistische Gewalt zu verherrlichen“ zu keinem Zeitpunkt die Intention dieser Leute war.“

Ärgert es Sie, angesichts der Berichterstattung, dass „Dritte“ stellvertretend die Vertretung der Opfer von 1992 einnehmen und die Ereignisse von damals in den direkten Zusammenhang mit der Choreografie bringen?

Dr. Wolfgang Richter: Es ärgert mich schon, weil damit eben auch Realitäten verzerrt werden und Leute sich anmaßen, sich zu zeigen und zu positionieren, die weitaus weniger das Recht haben, mit diesem Symbol und ihrer persönlichen Meinung oder Haltung zu argumentieren.

Für die Leute, die die Verantwortung für das Banner übernehmen, ist es völlig abwegig, dass sie mit den Ereignissen von 1992 gespielt haben sollen.

Natürlich weiß auch ich, dass es in dieser Stadt Menschen mit rechter Orientierung gibt und vielleicht kann es für sie ein Aufhänger sein, indem sie es für sich so interpretieren wie es auch überregionale Medien gemacht haben.

Ich habe gehört, dass es im Verein Überlegungen gab, ob es für Andere sofort wieder der Anlass sein könnte, auf Hansa und Rostock draufzuhauen. Aber davon darf man sich nicht desorientieren lassen – wenn es eine klare Position ist und die Leute, die es zu verantworten haben, eine saubere politische Haltung haben, dann muss man das andere auch mal aushalten können und gegenhalten. Diese Oberflächlichkeit, es nur aus einem Blickwinkel zu sehen, die ärgert mich schon sehr.

Haben Sie noch Kontakt zu vietnamesischen Bürgern, mit denen Sie damals auf das Dach des Sonnenblumenhauses geflüchtet sind? Haben Sie sich zum Wochenende austauschen können?

Dr. Wolfgang Richter: „Ich habe zwar sehr regelmäßigen Kontakt - mit einer Person bin ich seit 31 Jahren eng befreundet - aber wir haben uns dazu nicht ausgetauscht. Bei mir hat sich keiner dieser Menschen gemeldet. Aber ich bin mir sicher, dass sie sich bei mir gemeldet hätten, wenn sie es so empfunden hätten, wie es verschiedene Medien versuchen darzustellen.“

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Einschätzungen, Dr. Richter.

In diesem Zusammenhang möchten wir noch einmal unmissverständlich klarstellen, dass der F.C. Hansa Rostock die ausländerfeindlichen und menschverachtenden Ereignisse von 1992 in Lichtenhagen mit ganzer Schärfe verurteilt.

Jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung, Fremdenhass, Antisemitismus und Gewalt haben keinen Platz in unserem Verein und werden ganz klar und grundweg abgelehnt.

Wir möchten abermals alle Mitglieder, Fans und Partner unserer Kogge auffordern, sich mit ihrer Meinung und auch bei kritischen Themen in den Verein einzubringen.