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22.06.2006 08:23 Uhr

Sebastian Hähnge: „Ich scheue keine Konkurrenz“

Am 3. Juni 2006 bestritt Sebastian Hähnge in Jena sein letztes Spiel für Zweitliga-Aufsteiger FC Carl Zeiss Jena. Am 2. Juli ist der gebürtige Magdeburger Stürmer einer der Neuzugänge des F.C. Hansa Rostock, die um 15 Uhr vorgestellt werden. Kurz vor seinem Urlaub gab Sebastian Hansa-Online das erste große Interview als Hanseat.

Hallo Sebastian, mit 28 Jahren bist Du im besten Fußballalter. Du bist auch einer der Leistungsträger, die für den Durchmarsch des FC Carl Zeiss von der Oberliga  in die 2. Bundesliga verantwortlich sind. Warum hast Du Dich trotz der neuen Fußball-Euphorie in Thüringen für den F.C. Hansa Rostock entschieden?
Sebastian Hähnge: Es stimmt, ich bin im besten Fußballalter. Es stimmt auch, wir haben wie einst Gütersloh in Jena innerhalb von zwei Jahren zwei Spielklassen übersprungen. Ich habe hier in Thüringen meine schönste Fußballzeit erlebt. Aber gerade wenn es am schönsten ist, soll man ja aufhören. In meinem Fall: Ich suche nach dieser tollen Zeit, in diesem tollen Verein mit diesen tollen Fans einfach noch einmal eine neue Herausforderung für mich – in Rostock. Und: Es haben in Jena alle verstanden. Ich gehe nicht im Zorn von hier, im Gegenteil. Man hat mir viel Glück gewünscht.

Warum gerade Rostock?
Sebastian Hähnge: Rostock ist allen ostdeutschen Mannschaften um zehn Jahre Bundesliga voraus. Hansa hat seit der Wende die Erfahrung und die Struktur von elf Serien höchster Spielklasse in Deutschland. Das reizt mich. Deshalb folge ich jetzt auch der Bitte von Cheftrainer Frank Pagelsdorf. Er hat mich persönlich vor einem Monat angerufen und es entsprach meiner Intention, mein Glück jetzt in Rostock zu suchen. Rostock und Ostsee, Hansa und das Ostseestadion, die Infrastruktur des Vereins und die Lebens-Qualität an der Küste, und natürlich die Chance, mit einer qualitativ neuen, jungen, dynamischen Mannschaft den dritten Bundesliga-Aufstieg anzustreben waren Dinge, die mir gesagt haben: Mache es…

Wen kennst Du schon aus der Hansa-Truppe?
Sebastian Hähnge: Ich habe schon zwei Jahre mit Maik Wagfeld in Dresden gespielt. Ich habe in Dresden damals auch schon Dexter Langen kurz kennen gelernt. Ich freue mich aber auch auf einen Führungsspieler wie Stefan Beinlich, der von Hamburg zurück nach Rostock kommt. Ich glaube schon, ich treffe hier auf Jungs, die hier – wie ich – was anpacken wollen…

Wenn man Dich sprechen hört, klingt gar kein anhaltinischer Dialekt durch. Du bist doch gebürtiger Magdeburger…?
Sebastian Hähnge: Ja, ich bin ein richtiger Magdeburger Junge, aber ich bemühe mich, hochdeutsch zu sprechen.

Wie bist Du zum Fußball gekommen?
Sebastian Hähnge: Mit sechs Jahren habe ich auf der Straße gespielt. Zwei, drei Jungs waren schon in einem Verein. Da habe ich meinen Vater Hans-Gerd und meine Mutter Kerstin gedrängt, mich auch im Verein anzumelden. So kam ich damals zu Motor-Mitte Magdeburg. Mit 12 Jahren wurde ich dann zum 1. FC Magdeburg delegiert. Ich  war von der 7. Klasse an also auch auf der Kinder- und Jugendsportschule, habe mein Abi gemacht, Versicherungskaufmann gelernt. Mit 17 Jahren habe ich dann bei Trainer Hans Hertle und unter Manager Hans-Dieter Schmidt mein erstes Männerspiel gemacht. Ich weiß den Gegner nicht mehr, aber im ersten Spiel habe ich gleich den 1:0 Siegtreffer erziehlt.

Von Magdeburg bis Du schließlich nach Chemnitz gewechselt?
Sebastian Hähnge: Ja, von Winter 2000 bis Winter 2001 habe ich dort zunächst unter Christoph Franke gespielt. Aber der wurde entlassen weil der Erfolg fehlte.
Aus Chemnitz hat Dich dann der Holländer Cor Pot zum 1. FC Dynamo Dresden gelotst…
Sebastian Hähnge: Genau. Aber bald kam Christoph Franke. Aber ehrlich, für meine Entwicklung war das nix. Trotz eines ersten guten Jahres.

Was folgte war eine Flucht nach Australien?
Sebastian Hähnge: Es war keine Flucht, es war eine Neubestimmung meines Lebens. Als Fußballer hatte ich damals keine Perspektive gesehen. Nicht mal in der 3. Liga. Ich wollte was anderes machen, mich verändern, mich bilden, mich beweisen. Alles ohne Netz und doppelten Boden. Ich habe gedacht, ein Jahr Australien, das ist gut. Andere kurieren in dieser Zeit einen Kreuzbandriss aus. Ich mache was Neues…

Mit welchem Effekt?
Sebastian Hähnge: Also ich bin von September 2003 bis März 2004 und einem normalen Schulenglisch los, auf nach Australien. Auto gekauft und weg. Ich habe das Land entdeckt, Sydney, Melbourne, Brishbane, Auckland, Ost- und Südküste. Von Tag zu Tag war das eine neue Herausforderung. Ganz ohne Fußball.

Hast Du Dich dort um einen Vertrag bemüht?
Sebastian Hähnge: Nein, ich wollte ja frei sein und das Leben leben. Nur Andre Gumprecht, spielte selber im ostdeutschen Raum, habe ich gesucht, aber der war immer unterwegs, wir haben uns so nie getroffen. Im Nachhinein kann ich sagen: Ich habe mit der Pause alles richtig gemacht, ich habe andere Menschen kennen gelernt, neue Freunde und große Erfahrungen gemacht.

Wie kam dann die Rückkehr?
Sebastian Hähnge: Ich bin aus familiären Gründen zurück. Herr Eulberg, ein Jenaer Scout hat mich dann gefragt, ob ich in Jena spielen will – und ich wollte. Und ich hatte wieder Lust am Fußball. Erst habe ich dann ein Probetraining gemacht. Dann bei Thomas Vogel gespielt und schließlich unter Heiko Weber trainiert. Ehrlich, unter ihm bin ich richtig aufgeblüht, sein Training hatte Struktur und ich war noch nie so fit wie jetzt. Und ich hatte Erfolg. Denn Jena war wirklich die schönste Zeit meines Fußball-Lebens.

Jetzt kommt Hansa. Vom Stammspieler und Star des FC Carl Zeiss musst Du Dich nun gegen Enrico Kern oder Marcel Schied beweisen…
Sebastian Hähnge: Rostock ist für mich eine neue Herausforderung. Ich klettere wieder eine Stufe höher. Fußball wird nicht nur mit elf Spielern gespielt. Wir sind eine Mannschaft und da gibt es dann eben Kern, Schied und Hähnge. Und alle wollen aufsteigen. Mit 15 Toren in der Regionalliga habe ich mich bewiesen. Nun strebe ich in einer Spielklasse höher eine neue Qualität an. Wie gesagt, im besten Fußballalter. Ich scheue im sportlichern Neuland keine Konkurrenz! Sie wird mich eher antreiben…

Warst Du überrascht, dass sich Frank Pagelsdorf gemeldet hat?
Sebastian Hähnge: Ich wusste, dass ich durch meine Spiele und Tore eine gewisse Aufmerksamkeit erreicht hatte. Und der Anruf kam mir sehr recht! Rostock ist für mich eine absolut gute Adresse. Ich hoffe, dass ich schon in den nächsten Tagen an der Küste eine schöne Wohnung finde und dann kann es am 2. Juli losgehen.

Wo spielst Du am liebsten?
Sebastian Hähnge: Ich bin ein so genannter Linksbeiner, habe früher zunächst im Mittelfeld und dann im Sturm gespielt. Ich denke, ich bin im Sturm am besten aufgehoben.