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17.02.2010 16:34 Uhr

Tim-Sebastian-Interview: „Platz 14 ist nicht unser Anspruch“

Nach einem Jahr „Auszeit“ von der mecklenburgischen Ostseeküste kehrte Tim Sebastian in die Heimat und zum F.C. Hansa Rostock zurück. Schnell war er wieder ein wichtiger Führungsspieler innerhalb der Mannschaft. Tim Sebastian - ein Spieler der das Geschehen auf dem Platz im Blickfeld behält und Anweisungen gibt. Vor dem Heimspiel am Sonnabend (13.00 Uhr) traf sich Hansa-Online zum Interview mit dem Innenverteidiger.

Hansa-Online: Du bist nach einem Jahr beim KSC wieder zu Hansa zurückgekehrt. Hast du die Entscheidung bereut?

Tim Sebastian: Nein. Überhaupt nicht. Auch wenn die momentane Tabellensituation nicht zufriedenstellend ist. Aber nichtsdestotrotz habe ich diesen Schritt nicht bereut, es war genau die richtige Entscheidung für mich. Ich fühle mich wohl und versuche, der Mannschaft zu helfen, um in naher Zukunft erfolgreicher Fußball zu spielen.

Hansa-Online: Wie würdest Du die Hinrunde zusammenfassen?

Tim Sebastian: Sehr durchwachsen. Wir haben relativ bescheiden angefangen, dann eine Durststrecke gehabt und drei oder vier Spiele nicht gewonnen. Zum Ende der Hinrunde haben wir uns stabilisiert. Was absolut in Ordnung, natürlich auch ausbaufähig ist. Aber aufgrund dessen, dass wir nur drei Gegentore bekommen haben, geht es. Zum Anfang der Rückrunde haben wir ein bisschen den Faden verloren, nur zwei Unentschieden aus den vier Spielen herausgeholt. Wir sollten jetzt alles daransetzten, diesen wichtigen ersten Sieg einzufahren, der für die Köpfe bewirken könnte, dass wir befreiter aufspielen.

Hansa-Online: Du sagst es – den Start in das Jahr 2010 hast Du dir spielerisch sicher anders vorgestellt.

Tim Sebastian: Ja, gut – spielerisch war jetzt vielleicht auch nicht so viel zu erwarten. Selbst Mannschaften, die in der Tabelle weiter oben stehen, haben sich auf den zum Teil schwierigen Plätzen schwer getan. Die Plätze sind generell schwerer zu bespielen, das gilt für alle Mannschaften. Da ist einfach Kampf und Effektivität angesagt. Wenn wir das in den nächsten Spielen zeigen, werden wir so die Spiele gewinnen und nicht mit Schönspielerei.

Hansa-Online: Wenn Du die vergangenen Spiele siehst – was fehlte euch, der Biss?

Tim Sebastian: Nein, an der Bissigkeit lag es nicht. Auch der Einsatz stimmte, wenn man mal die zweite Halbzeit in Oberhausen ein bisschen ausklammert, wo wir auseinandergefallen sind und ganz schlecht verteidigt haben. Ansonsten ist der Einsatz hundertprozentig da. Aber die Effektivität ist nicht so gegeben, ob das im eigenen Strafraum oder im gegnerischen ist. Auch der absolute Glaube, positiv zu denken, Spiele zu gewinnen, ist einfach noch nicht da. Auch, weil uns ein Erfolgserlebnis fehlt. Das müssen wir uns erst schaffen, möglichst schnell. Denn das kann eben vieles freisetzten - dass wir befreiter aufspielen, dass wir immer an unsere Möglichkeiten glauben und in den Spielen auch geduldiger sind.

Hansa-Online: Aber wenn Du gerade sagst: „befreiter auftreten“, warum seid ihr gedanklich denn nicht frei, wenn ihr spielt?

Tim Sebastian: Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass wir dieses Erfolgserlebnis, diesen befreienden Sieg im neuen Jahr noch nicht erlebt haben. Dass die Mannschaft sich mit den vier Neuzugängen ein bisschen verändert hat, und dass wir noch einen Findungsprozess durchlaufen. Was natürlich nicht zu lange dauern darf und auch kein Alibi dafür sein soll. Wir müssen jetzt einen Sieg erzwingen, um auch erfolgreicher Fußball zu spielen.

Hansa-Online: Macht Ihr Eure Lage, Eure Spielweise auch intern zum Thema, wird es diskutiert?

Tim Sebastian: Ja, selbstverständlich diskutieren wir über alle möglichen Sachen. Ob es nun das Spielsystem ist, die Chancenverwertung, das Zweikampfverhalten, ob es die Zuschauer sind. Es wird generell über alles in der Mannschaft diskutiert, weil das einfach unser Beruf ist und wir uns damit auseinandersetzen. Ich denke, das gehört dann auch einfach dazu.

Hansa-Online: Siehst Du Euch in einer bedrohlichen Lage, wenn man den Tabellenplatz betrachtet und auch die kommenden Spiele?

Tim Sebastian: Bedrohlich insofern, dass die Mannschaften, die unter uns stehen, aufgeholt haben und keineswegs schlechter sind als andere Mannschaften in der Liga. Sie können genauso gut eine Serie starten. In erster Linie sind wir an uns gehalten, zu schauen, dass wir die nötigen Punkte holen. Dann kann uns alles andere völlig egal sein. Das muss auch die Herangehensweise sein, nicht dass wir auf andere Mannschaften hoffen. Denn das bringt am Ende eh nur Unruhe. Wir müssen einfach unsere Stärken in die Waagschale werfen und unsere Spiele gewinnen.

Hansa-Online: Wie gehst Du persönlich damit um, wenn Du für dich entschieden hast, das Spiel heute war schlecht, ich habe schlecht gespielt?

Tim Sebastian: Generell macht man sich nach jedem Spiel, auch nach jeder Trainingseinheit, Gedanken: War das in Ordnung heute oder habe ich da total daneben gegriffen. Eine gewisse Selbstkritik ist im Profi-Geschäft extrem wichtig. Dass man seine Leistungen richtig einschätzen kann, was oftmals auch gar nicht so einfach ist. Deswegen fragt man auch Bekannte, die im Stadion waren oder das Spiel gesehen haben, wie die es empfanden. Generell ist es wichtig, seine Leistungen selber realistisch einzuschätzen, um dann an den eigenen Schwächen und Stärken immer wieder zu arbeiten und möglichst lange auf hohem Niveau zu spielen.

Hansa-Online: Angesichts der Lage – kannst Du einige Fans verstehen, wenn sie, wie zuletzt nach dem Spiel in Koblenz, einfach nichts sagen und stumm bleiben?

Tim Sebastian: Da bin ich geteilter Meinung. Ich kann die Fans auf der einen Seite natürlich verstehen. Sie nehmen die Strapazen auf sich, reisen zu den Spielen viele Kilometer an, bezahlen ihre Karten und sehen dann zum Teil sehr schlechte Leistungen von uns. Dass sie dann nicht gerade sehr erfreut sind, ist völlig nachvollziehbar. Auf der anderen Seite ist es für uns als Mannschaft extrem wichtig, dass wir die 90 Minuten auf dem Platz volle Unterstützung bekommen. Weil das eben auch oftmals den Ausschlag geben kann, dass sich manche Spieler davon puschen lassen oder eben der Gegner von der sehr guten Atmosphäre eingeschüchtert wird. Das sind eben die letzten Prozentpunkte, die oftmals auch über Sieg oder Niederlage entscheiden können

Hansa-Online: Du sagst es. Die Atmosphäre stimmt auch auswärts, da könnt Ihr Euch ja nicht beklagen.

Tim Sebastian: Ja, besonders auswärts war es immer ein Riesentrumpf, dass der Block generell voll war und eine sehr gute Stimmung herrscht. Natürlich, betrachtet man die Realität, sind wir Tabellen-14. in der zweiten Liga. Was nicht der Anspruch von Hansa Rostock ist und auch nicht der eines jeden einzelnen Spielers sein kann. Unser Anspruch ist es, wieder in die erste Liga zu kommen. Nur momentan sind wir einfach nicht in der gefestigten Position, nicht in der Lage, über fünf sechs Spiele die Gegner zu dominieren  Und dass funktioniert eben nur mit erhöhtem Selbstvertrauen und das fängt nun einmal klein an. Mit einem Sieg.

Hansa-Online: Am Samstag ist der FC Augsburg zu Gast. Ihre Hinrunde lief zunächst auch nicht so gut. Dann sind sie richtig durchgestartet. Wie würdest Du ihre bisherige Leistung einschätzen?

Tim Sebastian: Augsburg ist eine sehr starke Mannschaft. Sie haben sich vor der Saison gut verstärkt, haben einen sehr ausgeglichenen Kader. Sie haben, meiner Ansicht nach, auch einige Spieler dabei, die absolutes Bundesligaformat haben. Insofern wirklich eine Toptruppe. Aber sie müssen zu uns, wir haben Heimspiel. Es ist immer unangenehm gewesen, in Rostock zu spielen und da müssen wir auch wieder hinkommen. Dass wir hier wirklich jede Mannschaft schlagen können, egal, ob das Augsburg, Burghausen oder Werder Bremen ist. Das muss einfach wieder in die Köpfe rein. Wenn dieses Selbstvertrauen wieder da ist, möglichst jetzt schon gegen Augsburg, dann bin ich davon überzeugt, dass wir auch diese Mannschaft schlagen können.

Hansa-Online: Mit Augsburg kommt auch Michael Thurk – 20 Tore in 21 Spielen. Schüchtert einen das irgendwie ein?

Tim Sebastian: Nein, das schüchtert einen nicht ein, das ist einfach ein großer Respekt gegenüber diesem Spieler, der in dieser Saison hervorragende Qualität beweist. Natürlich kennt man seine Stärken, aber eben auch die Schwächen. Wir müssen insgesamt als Abwehrverbund gut gegen die Augsburger verteidigen, denn es ist ja nicht nur ein Spieler, der die Tore machen kann. Die anderen zehn, inklusive des Torwarts, sind auch in der Lage, das Tor zu schießen. Es wäre falsch, sich nur auf einen Spieler zu konzentrieren und plötzlich sind zwei Spieler vor dem Tor frei. Natürlich muss man gegen Michael Thurk sehr gut verteidigen. Aber ich denke, es liegt ganz allein in unserer Hand, was wir zulassen. Wir sollten da nicht irgendwie hoffen, dass Augsburg schlecht spielt, sonder unser Spiel durchbringen und dieses dem Gegner aufzwingen.

Hansa-Online: Schaut man sich die Heimbilanz gegen Augsburg an: zwei Unentschieden, das kann ja nun nicht das Ziel für Samstag sein.

Tim Sebastian: Nein. Generell ist es nie das Ziel, auf Unentschieden zu spielen. Das ist vielleicht im UEFA-Cup so, wenn man das Hinspiel gewonnen hat und ein Unentschieden im Rückspiel reicht. Aber in der Liga gilt es, jedes Spiel zu gewinnen. Das muss die Maßgabe sein. Was dann im Spiel passiert, kann man ja vorher nie beschreien. Das heißt, wenn man von dem schlechtesten Fall ausgeht und wir nach 20 Minuten mit drei Roten Karten da stehen, kann man mit einem Unentschieden zufrieden sein. Aber generell sind wir darauf aus, Spiele zu gewinnen, besonders Heimspiele. Und das werden wir auch gegen Augsburg am Wochenende versuchen.

Hansa-Online: Das bisher letzte Spiel gegen den FC Augsburg hast Du persönlich vielleicht noch schmerzlich in Erinnerung?

Tim Sebastian: Ja, richtig. Ich weiß nicht genau, es waren vielleicht 25 Minuten, die ich spielen konnte, bis ich aufgrund dieses Nasenbeinbruchs ausgewechselt werden musste. Was einfach passieren kann. Es war völlig unabsichtlich. Aber gut, es gibt einfach solche Tage, da läuft es für einen persönlich nicht so rund. Ich konnte dann nicht weiterspielen, aber insgesamt hat die Mannschaft ein sehr gutes Saisonspiel abgeliefert. In der zweiten Halbzeit hatten wir noch mindestens vier fünf gute Chancen. Es war ein Spiel, was hin und her ging. Augsburg nutzte einfach die Torchancen besser. Auch in Auswärtsspielen muss man mit zwei Toren mindestens einen Punkt erzielen. Die fünf Gegentore waren einfach zu viel.

Hansa-Online: Was ist deine Ansage für Samstag?

Tim Sebastian: Die Ansage ist einfach die, dass wir als Mannschaft alles versuchen, um kämpferisch, leidenschaftlich dieses Spiel zu gewinnen. Dass es ein schwieriger Gegner ist, wissen wir. Aber ich denke, wir haben alle Möglichkeiten und werden alles versuchen.

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