03.04.2006 09:07 Uhr
Als einst Andreas Zachhuber als Cheftrainer den Posten verließ, sprang Co-Trainer Juri Schlünz als erfolgreicher Feuerwehrmann ein. Den Chefposten wollte er nicht, den bekam schließlich Friedhelm Funkel. Als dann Funkel in Rostock ging, übernahm Co-Trainer Juri Schlünz abermals das Kommando. Und wieder lehnte er den Job als Cheftrainer ab. Die Hanseaten verpflichteten deshalb Ex-Bundesliga-Spieler Armin Veh. Als Veh seinerzeit dann das Handtuch warf, ging die Verantwortung für die Bundesliga-Mannschaft zum dritten Mal an Juri Schlünz über.
Im dritten Anlauf aber sagte Juri dann Ja! „Ich fühlte mich diesmal reif für diese Aufgabe...“
Es gibt in der 40jährigen Geschichte des Vereins kaum ein Vereins-Mitglied, das als Spieler oder Trainer so eng mit dem F.C. Hansa Rostock verbunden ist.
Denn dieser Juri Schlünz ist wirklich ein Kind des Vereins.
Sechs Jahre war Juri alt, als alles begann. Nur fünf Minuten war das Ostseestadion von der Wohnung entfernt und als der Vater mit seinem Sohn das Stadion erreichte, fragte Walter Schlünz oft: „Willst Du hier spielen?“ Juri wollte. Den ersten Spieler-Pass hütet Juri noch heute wie einen Goldschatz.
Als ihn DDR-Oberligisten wie Jena, Erfurt oder Frankfurt wollten, verzichtete er.
Der Westen hat ihn dann nach der Wende nicht gewollt, obwohl er hinter Torsten Gütschow zweitbester DDR-Fußballer des Landes war, Meister und Pokalsieger wurde und dadurch auch in die Bundesliga aufstieg.
Selbst als Co-Trainer ging er nicht fort, obwohl er mit Fußball-Größen wie Bernd Schuster, Wolfgang Wolf, mit Rolff, Wolfgang Funkel, Bommer, Neubarth und Stumpf seinen Trainerschein in Köln machte und die ihn alle als Fachmann schätzten und zu sich geholt hätten. Juri: „Ich hatte immer Heimweh!“
Juri gehörte stets zu diesem Ostseestadion, zu dieser Stadt wie die Ostsee zu Warnemünde.
Juri Schlünz ist leidenschaftlicher Sammler von Fußball-Utensilien. Die alten Trainingspläne aus Ostzeiten, die seiner Kollegen Pagelsdorf, Lienen, Veh und Zachhuber, die eigenen Aufzeichnungen. Er hat alles griffbereit.
Aber vor allem hat Juri Schlünz schöne Erinnerungen an seine Kindheit, die Karriere, die Arbeit als Spieler und Trainer.
„Ich weiß wie wir bei unserem Lehrmeister Horst Brettschneider Rückpässe übten, bis sie ankamen. Ich weiß noch, wie wir als Kinder quer über den Rasen das Vorspiel vor den Männern machten, vor 8.000 Zuschauern. Wie das Stadion im Rohbau, erst ohne, dann mit Zaun, aussah. Oder ich erinnere mich an unser erstes Flutlicht-Spiel 1976 gegen Magdeburg.
Juri Schlünz selbst wurde schon als Spieler eine Legende. Er war für die Fans der Freistoss-Spezialist, der Kapitän, der Aufstiegsheld, der Meister und Pokalsieger.
Juri Schlünz ist aber auch der Diplom-Sportlehrer, der mit 21 Jahren ein Sportstudium anfing (Prüfungsarbeit: „Thema Laufleistungen von Fußballerspielen im Wettkampf“), der am Christophorus-Gymnasium ein Jahr als Sportlehrer lehrte und die B-Jugend trainierte und der seit 1997 von Beruf Co-Trainer schien, ehe er im Herbst 2003 zum Cheftrainer votierte und seinen Vertrag im Sommer bis 2007 verlängerte.
Nach dem Klassenerhalt in der Saison 2003/2004 und dem 9.Platz sagte Schlünz ehrlich: „Ich stand acht Monate unter Storm. Ich hätte mir einen Abstieg nie verziehen. Ich wäre fünf Jahre wie Falschgeld rum gelaufen und hätte jeden Fans einzeln trösten wollen.“
Stattdessen trugen die Fans ihn aber auf Händen, hatten ihm sogar ein Plakat in blau-weiß genäht und mit dem Porträt von ihm über die ganze Tribünenseite an der Kopernikusstraße entfaltet.
Das war gegen Bayer Leverkusen. Typisch Juri: „Der liebe Gott hat das Plakat und solchen Kult wohl nicht gewollt. Wir haben jedenfalls damals 0:2 verloren…“
So liebevoll und herzlich ist von den sonst so robusten Rostocker Fans in der Bundesliga kaum jemals ein Fußball-Lehrer behandelt worden.
Juri Schlünz erinnert noch heute ein Foto wie eine Mahnung an diesen Tag.
Er hat aber auch noch ein anderes Bild im Kopf. Es war sein letztes Bundesliga-Spiel als Cheftrainer in der Saison 2004/2005. An der Anzeigetafel stand ein 0:6 gegen den HSV. Der einstige Kollege HSV-Trainer Thomas Doll konnte ihn natürlich nicht trösten. Auch Sprüche wie „Außer Juri könnt ihr alle gehen“, beruhigten ihn nicht.
Das Hansa-Herz hatte grobe Risse. Es war der schlimmste Tag in seiner Karriere.
Es war der Anfang des Abstiegs des F.C. Hansa aus der Bundesliga. Auch sein Nachfolger, „Retter“, Jörg Berger konnte den Gang in Liga 2 nach zehn Jahren nicht verhindern.
Juri Schlünz hat den Verein bis heute nicht verlassen. Er scoutet heute für die Nachwuchsabteilung und wurde im Januar in die Jubiläumself von 40 Jahre Hansa gewählt…