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10.10.2017 09:00 Uhr

RÜCKPASS: HANSA-GESCHICHTE(n): Volley in die Trübtassen!

Vier Serien und zwei Tore reichen aus um Artur Ullrich in der ruhmreichen Geschichte des F.C. Hansa festzuhalten. Heute wird er 60. Dazu herzlichen Glückwunsch? Unbedingt!

Im Grunde genommen ist dieser 8. August 1987 fußballerisch ein Tag für die Pfadfinder: Wohin geht wer und vor allem warum? Hansas bester Torjäger aller (und für die nächsten 30 und so weiter Jahre sowieso) Zeiten, Rainer Jarohs, wird 30. Hansa hat in der vorigen Saison mit einer eher unwirtlichen Chausseen-Odyssee die urbanen Felder der DDR-Liga umgepflügt und formidabel reüssiert: Aufstieg in die Oberliga. Nun steht Rot-Weiß Erfurt ante portas. 20.000 Zuschauer im Ostsee-Stadion. Trübes Wetter, Nieselregen. Nach gut einer halben Stunde basteln die Blumenstädter an ihrem Bukett: 2:0. Schon greinen die ersten Hansa-Besorgten („Müssen wir demnächst wieder nach Prenzlau, Guben oder Fürstenwalde in die Liga?“), da kommt der Ball wie ein Meteorit geflogen und Artur Ullrich hält volley drauf: Traumtor, effektvoll, vehement gegen Trübtassen und mit psychologischer Tiefe. Ein grandioses Fanal für die Aufholjagd, die Hansa letztlich mit 3:2 gewinnt.

Hat Stasi-Chef Erich Mielke („Ich liebe doch alle Menschen“) Hansas Schicksal maßgeblich beeinflusst? Ein Thema für den Boulevard! Aber dass ein Berliner, der vom BFC Dynamo (Zielscheibe aller sonstigen DDR-Fußballfans) kam, binnen zwei Jahren zur Legende aufsteigt, hat in der Hansa-Geschichte nicht ihresgleichen. Als Artur Ullrich 1986 auf der Kogge anheuert, bunkert er in seinem Seesack die Devotionalien seiner Erfolge: Sieben Meistertitel, Vizeeuropameister der U21, Olympia-Silber 1980 in Moskau, 13-facher Nationalspieler. Einer der besten Außenverteidiger seinerzeit im DDR-Fußball. Der Mann gehört auf die Chaiselongue statt auf die Pritsche. Also bitte, was will der bei Hansa?

Europacup der Landesmeister! Für den BFC Dynamo ein Kapitel zwischen Sternekoch und Schulküche. Wie Essen kurz vor der Garung vom Herd genommen nehmen sich die EC-Saisons für den Serienmeister aus. Nottingham Forrest, Aston Villa, FC Aberdeen – große Siege, große Pfunde! Am 18. September 1985 tappt der BFC gegen Austria Wien jedoch völlig im Dunkeln: 0:2 nach zwölf Minuten. Artur Ullrich in  einer lausigen Hauptrolle, die nach 17 Minuten ihr Ende findet. Oben auf der Tribüne des Berliner Jahnsportparks schreit der Stasi-Chef und oberster BFC-Gönner (?), Erich Mielke, einen Befehl: „Schmeißt den Ullrich raus, ich kann ihn nicht mehr sehen!“ Prompt holen die eilfertigen Vasallen den verdienten Fußballer und Nationalspieler vom Rasen und rigoros aus dem Fokus der DDR-Oberliga. Für den BFC wird Artur Ullrich fortan kein Oberligaspiel mehr bestreiten. Ihm bleibt die DDR-Liga mit der Zweiten des BFC.

Fußball! Um nichts anderes geht es Artur Ullrich.  Als er ob seines sportlichen Schicksals resigniert sein Valet beim BFC verkündet, offeriert man ihm die Alternativen: Frankfurt/Oder, Halle oder Rostock. „Für mich kam nur Hansa infrage“, beteuert Artur Ullrich. Die kolportierten Herleitungen dazu kamen aus dem Märchenbuch: Er war weder die Kompensation für Thomas Doll (ging zum BFC) noch der Gefolgsmann für Trainer Werner Voigt (kam vom BFC). Ullrich, eigentlich der Mann für die Beletage des DDR-Fußballs, ging bewusst mit Hansa in die Niederungen der Liga.

„Wir waren viel zu gut für die Liga“, schätzt Artur heute ein. Aber angekommen im Oberhaus? Sein spektakuläres Tor („Reines Training“, erklärt er lapidar) gegen Erfurt (und sein Kopfballtor beim 2:2 in Halle)  hat möglicherweise die Aufstiegssaison 1987/88 für Hansa gerettet. Und sportlich die Zukunft des Vereins, die nachhaltig Erfolge zeitigte. Dank auch Artur Ullrich in 81 Einsätzen für die Rostocker? Eine Hypothese für lange Stammtisch-Abende.

Heute ist Artur Ullrich Geschäftsführer des Fitnesscenters „Top line“. Seit vielen Jahren hat der Diplomsportlehrer engagierte Klientel unter seinen Fittichen. Bliebe nun nur noch die Frage: Und was wird mit Hansa? Und Artur sagt: „Nach einer geschäftsbedingten Pause mische ich demnächst bei den Alten Herren der Ü50 wieder mit!“

Das wollten wir wissen!